Berufsgenossenschaftliche Einflußnahme auf die Amtsermittlung

Berufsgenossenschaftliche Einflußnahme auf die Amtsermittlung der Sozialgerichtsbarkeit;
hier:    Frage, bestimmt die Berufsgenossenschaft oder bestimmt das Sozialgericht das Ergebnis des Rechtstreites?

Wenn einer Berufsgenossenschaft das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten mißfällt, wird ein Gegengutachten in Auftrag gegeben, berufsgenossenschaftlich, mit welchem mehr oder weniger das gerichtliche Gutachten gewissermaßen auseinandergenommen wird.

Dabei geriert sich der beratende Arzt der Berufsgenossenschaft nicht eben selten als Obergutachter, der mit einem Federstrich das Beweisergebnis gewissermaßen zunichte machen kann.

Das Bundessozialgericht bestreitet nicht, daß auch Gutachten während des Prozesses, welche berufsgenossenschaftlich eingeholt werden, der Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII unterliegen kann, d.h. dem Gutachterauswahlrecht bzw. Angebot eines Gutachterauswahlrechtes, welches zuvor berufsgenossenschaftlich anzubieten ist.

Mit einem Nebensatz aber öffnet dann das Bundessozialgericht alle Schleusen, s. Urteile vom 05.02.2008 – B 2 U 10/07 R – und – B 2 U 8/07 R -, indem die Parteigutachten der beratenden Ärzte oder der berufsgenossenschaftlich angestellten Ärzte vom Angebot eines Gutachterauswahlrechtes gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII ausgenommen werden.

Dies hatte bereits im Frühjahr 2008 zur Folge, daß die Berufsgenossenschaften ihre beratenden Ärzte alle mit Papierverträgen ausstattete, um gerichtlich nachzuweisen, daß es sich um beratende Ärzte handelt, was eigentlich nur um so schlimmer war, wenn es sich um einen beratenden Arzt handelt, der berufsgenossenschaftlich beauftragt wird.

Eine Untersuchung der beratungsärztlichen Gegengutachten, Obergutachten oder beratungsärztlichen Stellungnahmen würde vom Ergebnis her eine fatale Tendenz verweisen, nämlich gegen die Entschädigung der betreffenden Fälle anzuwirken.

Ausnahmen gibt es da kaum.

Demgegenüber vertritt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz die Auffassung, daß auch bei Beauftragung eines beratenden Arztes mit einem Gutachten das Gutachterauswahlrecht gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII zu beachten ist.

Eine Bau-Berufsgenossenschaft ließ es sich sogar angelegen, eine Sachverständigenstelle einzurichten bei ihrer eigenen Berufsgenossenschaft, medizinischer Art und überdies auch arbeitstechnischer Art.

In beiden Sparten rechnet sich dies berufsgenossenschaftlich, weil ein auswärtiger Gutachter nicht entfernt so parteilich urteilen würde, wie ein berufsgenossenschaftlich angestellter Gutachter.

Mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens ist es nicht in Einklang zu bringen, wenn dies so gehalten wird und die Sozialgerichtsbarkeit sogar die arbeitstechnischen Expositionsgutachten der berufsgenossenschaftlichen Beamten ausnahmslos zugrundelegt.

Mit den Urteilen vom 05.02.2008, wie zitiert, hat das Bundessozialgericht offenbar berufsgenossenschaftlicher Einflußnahme auf die Gerichtsverfahren Tor und Tür geöffnet, was die Einschaltung eigener Gutachter anbetrifft, seien dies Angestellte der Berufsgenossenschaft oder beratende Ärzte.

Dies wirkt sich nachgerade lähmend auf die Gerichtsverfahren aus, weil die Rechtsuchenden nunmehr zum Spielball berufsgenossenschaftlicher Einwände gemäß Gegengutachten und Obergutachten beratender Ärzte werden.

Sowohl in den Unfallsachen als auch in den Berufskrankheitssachen verfügen die Berufsgenossenschaften über Regelwerke und Fachliteratur, denen der Rechtsuchende nicht gewachsen ist.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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