50-Euro-Witwen

Die „50-Euro-Witwen“ der Deutschen Rentenversicherung, wenn der versicherte Ehemann einen beruflichen Asbestkrebs erleidet, Berufskrankheit Nr. 4105 (Pleuramesotheliom), den die Berufsgenossenschaft mit einer eigenen Witwenrente zu entschädigen hat.

Die Witwen in entsprechenden Fällen berichten, daß sie ihren Lebensstandard durch das Ableben ihres Mannes nicht mehr halten können und auch ihre Vermögen aufbrauchen müßten.

Dies hängt damit zusammen, daß die berufsgenossenschaftliche Leistung nicht voll der Witwe zugute kommt, sondern die Deutsche Rentenversicherung in solchen Fällen eine Anrechnung der berufsgenossenschaftlichen Witwenrente auf die Witwenrente der Rentenversicherung vornimmt und Erstattung von der Berufsgenossenschaft verlangt.

Mithin verbleibt den Witwen in der Regel von der zuvor etwa bei 1.000,00 EUR liegenden Witwenrente der Rentenversicherung ein Betrag von 50,00 EUR im Schnitt monatlich.

Die Witwenrente soll angeblich dem Schutz der Verfassung, Eigentumsschutz, nicht unterliegen, weil die Witwe nicht selbst Beträge zur Rentenversicherung erbracht hätte.

Der Begriff „50-Euro-Witwe“ ist nicht herabsetzend gemeint, sondern soll den krassen Eingriff in die Renten der Witwen erhellen, was diesseitiger Auffassung nach absolut unverhältnismäßig ist.

Schließlich sind die Ehemänner hier in diesen Fällen nicht an Altersschwäche gestorben, sondern an der schlimmsten Asbestkrebsart, die wir kennen, an einem Pleuramesotheliom.

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Divergenz des Berufungsurteils

Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts;
hier: Wohnung der Ehefrau als Mittelpunkt der Lebensverhältnisse für eine Familienheimfahrt, auf deren Rückweg der Ehemann tödlich verunglückt, auf dem Weg zur Arbeit

§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG sieht die Zulassung der Revision vor, wenn das Urteil des Landessozialgerichts von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Dies soll so aber nicht gelten nach einem Beschluß des BSG – B 2 U 219/10 B, wo eingeschränkt wird:

Es genüge nicht, darauf hinzuweisen, daß das Landessozialgericht seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte.

Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründe die Zulassung der Revision wegen Divergenz.

Während also das Berufungsgericht tatsächlich von der Rechtsprechung des BSG im Einzelfall abweicht, braucht es die Zulassung der Revision durch das Bundessozialgericht deshalb nicht zu fürchten, wenn das Berufungsgericht die Sache rechtsbehelfssicher gestaltet, indem man zwar objektiv abweicht von der Rechtsprechung, dies aber nicht kenntlich macht.

Es fragt sich, ob das Bundessozialgericht soweit das Sozialgerichtsgesetz zurücknehmen kann oder darf, daß der Einzelfall gewissermaßen auf der Strecke bleibt und die Witwe um die Entschädigung der Berufsgenossenschaft gebracht ist, d.h. die Witwenrente = 40 % des Brutto-Jahresarbeitsverdienstes jährlich.

Was das Landessozialgericht NRW in neuerer Rechtsprechung nicht gelten lassen wollte, ist das Urteil des BSG Band 2, Seite 78:

„Danach ist der Versicherungsschutz der Familienheimfahrt für Wege von und nach der Wohnung, die ständig, d.h. für längere Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet, Familienwohnung, auch gegeben, wenn die ursprünglich am Ort der Arbeitsstätte vorhandene Familienwohnung später nach auswärts verlegt worden ist.“

Im Fall des BSG-Urteils von 1955 war der Kläger zur Zeit des streitigen Unfalls vom 05.01.1952 in einem Friseurgeschäft in München-Pasing tätig. Er besaß eine Mietwohnung in München-Allach und war dort mit seiner Ehefrau persönlich gemeldet. Seine Ehefrau wohnte jedoch zur Zeit des Unfalls bei der verheirateten Tochter der Eheleute in Oberhaching, um der Tochter, die dort ein damals noch im Aufbau befindliches Textilgeschäft betrieb, bei der Betreuung eines Kleinkindes und der Führung des Haushaltes und des Geschäfts zu helfen. Der Kläger selbst benutzte nur an Wochentagen die Wohnung in München-Allach, die Sonntage verbrachte er regelmäßig bei seiner Ehefrau im Haus der Tochter und begab sich von dort Montags wieder zu seiner Arbeitsstätte in München-Pasing.

Vorliegend verhielt sich der Fall so, daß der Ehemann in Hannover wohnte, aber am Wochenende seine Frau in Aachen besuchte, die dort eine Wohnung hatte, um ihrem Sohn in einem Geschäft beizustehen und dort mitzuarbeiten.

Auf der Rückfahrt von Aachen verunglückte der Ehemann der Klägerin tödlich, und zwar, als er im Dunkeln auf der Autobahn einem stehengebliebenen Pkw, die Fahrerin war noch im Auto, auswich und infolge dessen vor die Leitplanke prallte.

Der Versicherte rettete damit der Pkw-Fahrerin in deren unbeleuchtetem Fahrzeug auf der linken Spur das Leben, als er dieser bzw. dem Pkw, der liegengeblieben war, auswich.

In dem Rechtsstreit darum mochten die beteiligten Sozialgerichte und auch das Bundessozialgericht den Versicherungsschutz weder für ein versichertes Ausweichmanöver erkennen, noch den Versicherungsschutz der Familienheimfahrt und überdies auch nicht den Versicherungsschutz der Rückfahrt von einer Geschäftsreise.

Obzwar der Fall versicherungsrechtlich dreifach abgesichert war, als Familienheimfahrt, als Rückreise von einer Dienstfahrt, als Ausweichmanöver, gelang es der Witwe bislang nicht, die Entschädigungsansprüche gegen Berufsgenossenschaft und Unfallversicherungsträger für das Ausweichmanöver durchzusetzen.

Mit einer Auslegung nach § 2 Abs. 2 SGB I hat die Rechtsprechung wenig zu tun, nämlich auszulegen in dem Sinne, daß die sozialen Rechte der Anspruchsteller möglichst weitgehend verwirklicht werden bei Auslegung des Sozialgesetzbuches, hier des Sozialgesetzbuches VII.

Dem objektiv erfolgreichen Ausweichmanöver, was das Leben der anderen Verkehrsteilnehmerin anbetraf, die den Unfall verursacht hatte, sprachen Sozialgericht, Landessozialgericht, Bundessozialgericht letzteres in einem obiter dictum den Charakter der Rettungshandlung ab, weil es sich angeblich nur um einen Reflex der Eigenrettung gehandelt hätte.

Das Gegenteil ist richtig.

Im übrigen gilt mit Gesetzeskraft die sog. Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommen ausreichend ist.

Es wird Bezug genommen auf BSG in NJW 1964, 2222, wo die Rede ist von eben dieser Kausalitätsnorm und der Hinweis gegeben wird, daß selbst eine verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung beruflicher Art, hier versicherungsrechtlicher Art, sehr wohl wesentlich sein kann.

Der Rettungsreflex ergibt sich bereits im Straßenverkehr, wenn ein Kaninchen die Straße quert und der Autofahrer ausweicht und dabei vor einen Baum fährt.

Erst recht greift aber der Rettungsreflex, also die Rettungshandlung dann, wenn einem liegengebliebenen Pkw ausgewichen wird auf der Autobahn, wobei dann die Besonderheit noch ist, daß die Fahrerin zum Zeitpunkt des Ausweichmanövers des versicherten Ingenieurs im Pkw befindlich ist.

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