Blasenkrebserkrankung eines Malers und Lackierers

Blasenkrebserkrankung eines Malers und Lackierers, Diagnose des Blasenkarzinoms im Juli 2002, Gefährdungsbeginn 1974, und zwar etwa durch die Zersetzung von Farben, Abbeizen von Altbeschichtungen und Abbrennen von Altbeschichtungen, siehe Merkblatt des BMA zur Berufskrankheit Nr. 1301

Eine grundsätzliche Bedeutung wesentlicher Art vermochte das Bundessozialgericht in einem Beschluß über eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu erkennen, obwohl die Rechtsfrage aufgeworfen worden war, ob nun der Hinweis im Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 3101 zutrifft oder nicht.

„Arbeiten mit dem fertigen Farbstoff und den gebrauchsartigen Farben sind ungefährlich, falls nicht infolge Zersetzung oder Zerstörung aromatische Amine, die die betreffenden Krankheiten verursachen können, frei werden.“

Das Landessozialgericht NRW – L 4 U 87/06 – hatte auf Seite 3 des Urteils festgehalten:

„Sieht der Senat keine Veranlassung, beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nachzufragen, ob bei der Zersetzung von Farben aromatische Amine freigesetzt werden.“

Das Bundessozialgericht sah auch keinen Handlungsbedarf der höchsten Richter trotz der Fragestellung:

„Ob nicht die Sozialgerichtsbarkeit allgemein gehalten ist, in Berufskrankheitsfällen eine unabhängige arbeitstechnische Stellungnahme zu veranlassen, statt, wie in der Praxis nachgerade ausnahmslos die Expositionsgutachten des Technischen Aufsichtsdienstes der beklagten Partei zugrunde zu legen, die unter Verletzung überdies das Angebot eines Auswahlrechts durch die Berufsgenossenschaft eingeholt werden.“

Überprüfungsantrag war gleichzeitig zur Berufsgenossenschaft hin gestellt worden, und zwar auf Zugunstenbescheid nach § 44 SGB X, weil eine massive Carbolineumbelastung mit der Folge der Einwirkung von aromatischen Aminen vernachlässigt worden war im berufsgenossenschaftlichen Entschädigungsverfahren und im sozialgerichtlichen Prozeß.

Der Sachverständige Prof. Dr. N. bestätigte in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.05.2009, eine ernste Gefährdung stelle das verwendete Carbolineum dar, das als Ursache von Blasenkrebserkrankungen auch in der aktuellen arbeitsmedizinischen Literatur herausgestellt werde. Ausgehend von den Angaben des Benzidingehaltes in Carbolineum und einer Verwendung im zweistelligen Literbereich sechsmal im Jahr von 1974 bis 1985 sei die Gesamtdosis mit 8,25 MG zu errechnen. Schon bei der Hälfte dieser Dosis wäre an der beruflichen Verursachung der Erkrankung an Harnblasenkrebs kein Zweifel möglich. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 1301 seien ohne Zweifel erfüllt, hingewiesen werde noch einmal auf die typische Vorverlegung des Erkrankungszeitpunktes und auf das jugendliche Alter des Klägers bei Beginn der Exposition. Die BK bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage vom Tag der Erstdiagnose, dem 10.07.2002 für fünf Jahre lang 80 %, danach wegen der Neoblase dauerhaft 30 %.

Die korrekte Feststellung des honorigen Sachverständigen Prof. N. gab in diesem Fall nicht den Ausschlag, obwohl der Kläger zur Risikogruppe bzw. Hochrisikogruppe einer Berufskrankheit Nr. 1301, Blasenkrebs beruflicher Art, gehörte.

Zu fordern ist, daß das Sozialgerichtsgesetz dahin geändert wird, daß in jedem Fall die Revision zulässig ist, wenn ein Berufskrebs in Rede steht.

Die Quote von Fehlentscheidungen der Berufsgenossenschaften, deren eigene Technischen Aufsichtsbeamten die Gefährdung in Abrede stellen, gebietet dies.

Es sollte einmal beim führenden Arbeitsmediziner und Berufskrebsexperten Prof. Dr. H.-J. W. nachgehört werden, in welchem bestürzenden Ausmaß entschädigungsreife Berufskrebsfälle einschließlich der Asbestkrebsfälle, einschließlich der Asbestkrebsfälle überdies auch der Familienangehörigen von Asbestwerkern, einer anschließenden berufsgenossenschaftlichen und gerichtlichen Fehlentscheidung ausgesetzt sind.

Fachanwalt für Sozialrecht

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Verbotswidriges Verhalten

Eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsfalls konnte das Bundessozialgericht – Az. B 2 U 23/10 B – im folgenden Fall nicht abgewinnen, wo es dem Kläger um die Beachtung der Vorschrift des § 7 Abs. 2 SGB VII ging:

„Verbotswidriges Verhalten schließt den Versicherungsschutz nicht aus.“

Das Bundessozialgericht mochte nicht darauf eingehen offenbar, daß es in einem Widerspruch steht, wenn einerseits der Gesetzgeber vorgibt, verbotswidriges Verhalten schließe den Versicherungsschutz nicht aus und wenn dann andererseits das Bundessozialgericht ab 1,1° die Blutalkoholkonzentration durch Leistungsausschluß gewissermaßen ahndet.

In der Nichtzulassungsbeschwerde war ausgeführt worden:

„Ob ein nichtalkoholisierter Versicherter derart verunglückt wäre, diese Frage stellt sich wegen § 7 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII eben nicht, wenn man das Gesetz ernst nimmt und die Auslegungsvorschrift des § 2 Abs. 2 SGB I, bei Auslegung der Vorschriften sicherzustellen, daß die sozialen Rechte des Anspruchstellers möglichst weitgehend verwirklicht werden.“

Grundsätzliche Bedeutung hat dies schon, wenn gesetzwidrig hier ein Kläger durch Rechtsprechung und Berufsgenossenschaft gewissermaßen strafrechtlich abgestraft wird, also nach den strafrechtlichen Grundsätzen der absoluten Fahruntüchtigkeit.

Unter Beachtung des § 7 Abs. 2 SGB VII ist demgegenüber festzuhalten, daß der Kläger und schwerverletzte Versicherte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung noch fahrtüchtig war, ernstlich den Heimweg zurückzulegen, was er auch bis zu diesem Zeitpunkt schon 10 Minuten lang unternommen hatte.

Dabei war die Blutalkoholkonzentration dem Beruf des Klägers geschuldet, der selbständiger Gastwirt war.

Nunmehr ist seine Existenz zerstört und Berufsgenossenschaft wie Sozialgericht halten vorliegend gegen die Anwendung des § 7 Abs. 2 SGB VII in diesem ernsten Fall.

Offenbar gilt dies getreu der Regel, „daß nicht sein kann, was nicht sein darf“, auch wenn der Gesetzgeber dies anders sieht.

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Lebenszeitverkürzung um ein Jahr

Lebenszeitverkürzung um ein Jahr;
hier:   Fall des Jägers, der wie ein versicherter Landwirt bei der Schlachtung eines Schweines
tätig wird und auf der Schlachtstätte einen Sekundenherztod erleidet

Berufsgenossenschaftlich wurde seinerzeit der Witwe entschiedener Widerstand entgegengebracht, etwa diesen Fall als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.

Eine wesentliche Mitursächlichkeit wurde in der verrichteten Arbeit nicht gesehen berufsgenossenschaftlich, also beim Setzen des Bolzenschutzes und dessen Mißglücken, so daß das Schwein sich heftig wehrte.

Mit letzter Not konnte der Jäger das Schwein noch erstechen, bevor ihn selbst das Schicksal ereilte.

Gerichtlich befand man überraschend in der II. Instanz, d.h. in der Berufungsverhandlung, und zwar nach Lektüre eines Kurzkommentars während der Verhandlung durch einen der beisitzenden Berufsrichter, daß in jedem Fall eine Lebenszeitverkürzung um ein Jahr festgestellt werden müßte, um den Versicherungsschutz zu gewähren.

Demgegenüber handelt es sich bei der Erwägung einer Lebenszeitverkürzung um ein Jahr um eine Hilfsüberlegung, die dann anzustellen ist, wenn anderweitig nicht eine wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung feststellbar ist.

Obwohl das Landessozialgericht die Revision nicht zuließ, ging der Fall nach Nichtzulassungsbeschwerde in die Revision, wo das Bundessozialgericht klarstellte, daß bei den Todesfällen nicht in jedem Fall eine Lebenszeitverkürzung um ein Jahr gefordert werden dürfe, sondern, daß es sich dabei um eine Hilfsüberlegung handelt.

Die Sache wurde an das Landessozialgericht NRW zurückverwiesen und endete in einer mündlichen Verhandlung, bei welcher ein Terminsachverständiger, ein Kardiologe, geladen war.

Nach langwierigem hin und her gestand der Kardiologe schließlich ein, daß bei dem mißglückten Vorgang der Schweineschlachtung der elektrische Betriebshaushalt des Versicherten zusammengebrochen sei, weshalb der eingetretene Tod als Arbeitsunfallfolge angesehen wurde und zur Entschädigung der Witwe führte.

Das unglückliche Hilfsinstrument einer Überlegung, ob die Lebenszeit um ein Jahr verkürzt worden ist, führt nicht nur in diesem Fall zum Mißverständnis sondern auch in vielen anderen Fällen, so daß dann im Ergebnis eine Entschädigung daran scheitert, weil die Lebenszeitverkürzung um ein Jahr nicht feststellbar ist.

Also größte Vorsicht bei diesem Einwand, daß die Lebzeiten des Versicherten nicht um ein Jahr verkürzt worden wären.

Anmerkung:

Die ursprüngliche Berufungsverhandlung beim Landessozialgericht verlief in außerordentlich feindseliger Atmosphäre gegenüber der rechtsuchenden Partei, was im Berufungsverfahren keineswegs hinnehmbar ist, gleichwohl aber hin und wieder passiert.

Die Mandantschaft muß sich eben nicht nur der Berufsgenossenschaft erwehren, sondern ggf. auch der Sozialgerichtsbarkeit.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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