Obduktion bei Berufskrankheiten

„Strengbeweis“ in Form der Obduktion bei Berufskrankheiten;
hier: Was aber, wenn der Berufserkrankte noch lebt?

Die Berufsgenossenschaften und dem folgend die Sozialgerichtsbarkeit fordern im Berufskrankheitsfall etwa, daß die Erkrankung mit Gewißheit, d.h. im sog. „Strengbeweis“ erwiesen sein muß.

Was bedeutet dies für den noch lebenden asbestkrebskranken Versicherten?

In einem Fall eines Asbestzementherstellers bedeutete dies, daß zu Lebzeiten keine Entscheidung getroffen worden ist hinsichtlich der Feststellung einer Berufskrankheit Nr. 4104, Asbestlungenkrebs in Verbindung mit einer Asbestose von Lunge oder Pleura.

Statt dessen wurde die Gemeindeverwaltung angeschrieben und gebeten, mitzuteilen, wenn der Betroffene verstorben ist.

Dann wollte man eine Obduktion durchführen.

Je nach Beweisgrad ergibt sich die Möglichkeit, zu Lebzeiten Feststellungen zu treffen oder aber auch nicht.

Geht man nach § 202 Sozialgerichtsgesetz, § 287 I ZPO, reicht für die Feststellung, ob ein Schaden, d.h. hier eine Berufskrankheit entstanden ist, die freie richterliche Überzeugungsbildung.

Wörtlich heißt es in § 287 ZPO analog:

„Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung.“

Gemessen an der IAO-Liste lag nach 20jähriger Asbestbelastung des Erkrankten ein Asbestlungenkrebs nahe, gleich ob dieser mit einer Asbestose vergesellschaftet war oder nicht oder etwa mit den später hinzugekommenen 25 Asbestfaserjahren.

Man hätte also zu Lebzeiten den Fall entschädigen können und müssen, erst recht deshalb, weil es sich um einen Familienvater handelte, verheiratet, 7 Kinder.

Als nun die abgewartete Obduktion durchgeführt wurde, übersah der Pathologe die Brückenbefunde einer Minimalasbestose der Lunge oder Pleura.

Nachdem eine Arbeitgeberhaftung hilfsweise angegangen wurde anwaltlich, löste sich allerdings der Fall von da auf, und zwar in der Art und Weise, daß die Berufsgenossenschaft nun doch anerkannte.

Dem Pathologen, welcher die Brückenbefunde nicht gesehen hatte, wurde eine Fehleinschätzung nachgesagt.

Die Frage stellt sich nach wie vor, und zwar in den einschlägigen Berufskrebsfällen, ob man nun den Strengbeweis und die Obduktion fordert, obzwar der Versicherte noch lebt, oder aber einen Beweisgrad gem. § 287 Abs. 1 ZPO gelten läßt.

In letzterem Fall kann zu Lebzeiten anerkannt und entschädigt werden, mit dem Restrisiko, daß sich vielleicht der Fall bei Obduktion doch anders darstellt.

U.E. kann die Berufsgenossenschaft und muß die Berufsgenossenschaft mit diesem Restrisiko leben, eben weil § 202 SGG verbindlich ist, indem auf die ZPO analog verwiesen wird.

In die Falle des Pathologen laufen die Versicherten, ob nun Asbestosefälle oder Silikosekranke, weil als letzter Beweis berufsgenossenschaftlich der pathologische Beweis angestrebt wird.

Dieserhalb ist in der künftigen Entschädigungspraxis das Schlimmste zu erwarten.

Dabei ist die pathologische Beweiserhebung in Form der Obduktion sehr oft irreführend, eben weil durch Umbauvorgänge eine Minimalasbestose etwa längst ausgewaschen sein kann oder durch das Fahrerfluchtphänomen der Weißasbest in Fortfall gekommen ist.

Im Falle des Familienvaters mit Kindern bedeutete das Zuwarten der Berufsgenossenschaft, daß dieser verstarb, ohne seine Familie versorgt zu wissen, etwa durch berufsgenossenschaftliche Leistungen, die 80 % des Bruttojahresarbeitsverdienstes ausmachten, als diese nun später festgestellt werden mußten.

Die Verwaltungsberufsgenossenschaft ließ es sich in einem vergleichbaren Fall angelegen sein, den noch lebenden asbestkrebskranken Versicherten mit der Formularfrage zu kontaktieren, ob dieser nun seiner Obduktion künftig zustimmen würde, damit die Berufsgenossenschaft ihre Feststellungen treffen könne.

Aber auch in diesem Fall konnte unsere Kanzlei helfen, ohne daß der Versicherte auch nur obduziert wurde, selbst dann nicht, als er verstarb.

Was der oben zitierte „Strengbeweis“ im Sozialrecht zu suchen hat, erschließt sich nach diesen Erfahrungen erst recht nicht.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

WeiterlesenObduktion bei Berufskrankheiten

Hospitalismus

Hospitalismus, d.h. Berufskrankheit-Nr. 3101, Infektionskrankheit derjenigen Versicherten, die auf Kosten einer Krankenkasse etwa stationäre Behandlung zur medizinischen Rehabilitation erhalten;

hier: Tetraplegie eines frühgeborenen Mädchens, infiziert durch Pseudomonas aeruginosa

Es würde bereits der Hygiene in einem Krankhaus guttun, wenn ein solcher Fall aus dem Krankenhausbereich berufsgenossenschaftlich entschädigt würde hier etwa im Zuständigkeitsbereich der VBG, gleich Verwaltungsberufsgenossenschaft.

Das frühgeborene Mädchen wurde in stationäre Behandlung verbracht, und zwar auf die Intensivstation.

Wenngleich das Risiko der ärztlichen Behandlung nicht durch die Berufskrankheit Nr. 3101 abgedeckt ist, gilt das Aufenthaltsrisiko als ein versichertes Risiko, was die Berufskrankheit Nr. 3101 anbetrifft.

Nach gutachterlicher Feststellung war in dem betreffenden Krankenhaus einer Exposition gegenüber Pseudomonas aerginosa nicht zu entgehen bzw. auszuweichen.

Daß dann Berufsgenossenschaft und Sozialgerichtsbarkeit noch einen daraufsetzen gewissermaßen, in dem Sinne, daß der Aufenthalt des Patienten in der stationären Behandlung nicht genügen soll, obwohl er durch diese Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war wie das Personal, erscheint als überhaupt nicht mehr nachvollziehbar und als sinnwidrige Auslegung der gesetzlichen Vorschriften wie zitiert.

Mithin harren die Fälle entsprechender Infektion im Krankenhaus bei versicherten Patienten nach wie vor der Lösung im Rahmen der Entschädigungspraxis der Berufsgenossenschaften, VBG oder BGW etwa.

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Sozialrecht

WeiterlesenHospitalismus