Amtsermittlung im Sozialgerichtsprozeß

Amtsermittlung im Sozialgerichtsprozeß;
hier: Unterlassung der Erhebung arbeitstechnischen Beweises unabhängiger Art im Falle einer Berufskrankheit Nr. 1317 (Polyneuropathie der Beine im vorliegenden Fall)

Im konkreten Fall ist sich der 17. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, hier der Berichterstatter, im Fall L 17 U 146/09 nicht zu schade, folgendes zu formulieren:

„Daß der Senat ohne konkrete Anhaltspunkte keine neuen Ermittlungen ins Blaue hinein vornimmt und auch nicht vornehmen muß. Hier sind die Ausführungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten schlüssig und gut nachvollziehbar.“

Der Antrag des Klägers hier, welcher als Schleifer im Bereich der mechanischen Fertigung tätig war und überdies Kühlschmierstoffen ausgesetzt war und Korrosionsschutzmitteln sowie Reinigungsmitteln, ging dahin:

Beweis für die Einwirkung organischer Lösungsmittel am Arbeitsplatz des Klägers bzw. durch Nachbararbeitsplätze:

Unabhängiges arbeitstechnisches Sachverständigengutachten

Indem der Berichterstatter des Senats, d.h. des 17. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen sich dahin äußerte, dem Kläger noch Kosten aufzuerlegen, § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG, wurde zum Schutze des Klägers die Klage zurückgenommen und zugleich Antrag zur Berufsgenossenschaft hin gestellt, einen Überprüfungsbescheid bzw. Zugunstenbescheid zu erteilen und einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu diesem Antrag.

Denn der Fall ist nach wie vor nicht unabhängig ausermittelt.

Das Ansinnen, einen unabhängigen arbeitstechnischen Beweis zu erheben, wie es in jedem fairen Gerichtsverfahren Usus sein sollte, wertet der 17. Senat des Landessozialgerichts NRW – wie bezeichnet – als „Ermittlungen ins Blaue hinein“.

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Entschädigungspraxis der Berufsgenossenschaften

Doppelter Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII
Wenn Technischer Aufsichtsbeamter das arbeitstechnische Gutachten macht und der Beratende Arzt das Zusammenhangsvotum abgibt im Fall des Non Hodgkin-Lymphoms, Berufskrankheit Nr. 1303/1318

Die Methode in der Entschädigungspraxis der Berufsgenossenschaften ist anfechtbar.

Vorliegend war der Betroffene einer jahrzehntelangen Belastung durch Benzol ausgesetzt, an seinem Arbeitsplatz als Labormitarbeiter und zuvor überdies als Maler und Anstreicher.

Seit dem 09.03.2009 ist der Versicherte arbeitsunfähig, was den Verletztengeldanspruch zunächst auslöst.

Nach der Aussteuerung dürfte eine Verletztenrente berufsgenossenschaftlich zu gewähren sein.

Bisher sind 5,66 ppm-Jahre ermittelt.

Ein unabhängiges arbeitstechnisches Gutachten kann einen ganz anderen Wert ergeben.

Denn dann braucht der Gutachter nicht die Frage zu beantworten, ob der eigene Fehler in der Berufskrankheitsverhütung nun berufsgenossenschaftlich zu entschädigen ist.

Schließlich ist ein unabhängiger Sachverständiger nicht in dem Interessenkonflikt eines Technischen Aufsichtsbeamten der Berufsgenossenschaft befangen, nunmehr entschädigen zu sollen, was der eigene Technische Aufsichtsdienst nicht verhütet hat.

Man kann es also dem Technischen Aufsichtsbeamten nicht überlassen zu urteilen, ob die fehlgeschlagene Berufskrankheitsverhütung des Technischen Aufsichtsdienstes nunmehr entschädigungspflichtig ist.

Welches Ergebnis will man denn da erwarten?

Noch darf man dem Beratenden Arzt das Zusammenhangsvotum überlassen in der Kurzform, wobei der Beratende Arzt dann eine Zusammenhangsbeurteilung gutachtlich nicht für erforderlich hält.

Von sechs Labormitarbeitern, die seit 1970 im Labor 1 tätig waren, sind zwischenzeitlich drei an Krebs erkrankt, zwei am Non Hodgkin-Lymphom.

Unverzichtbar erscheint auch, wegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen, sofern die Mitursächlichkeit bestritten wird, die Betriebsakte beizuziehen, welche der Technische Aufsichtsdienst der Berufsgenossenschaft über das betreffende Mitgliedsunternehmen führt.

Die Benzolbelastung des Versicherten setzte mit dem 01.04.1962 ein, Berufsausbildung als Maler und Anstreicher.

Die Labortätigkeit bestand ab Januar 1968.

Bis 1985 waren die Bitumenprodukte lösemittelhaltig.

Fälle dieser Art enden zumeist im Rechtsstreit, wobei die Anforderungen derart hochgeschraubt wurden in der Vergangenheit, daß etwa der 17. Senat LSG NRW den Nachweis von 200 bis 400 ppm-Jahren forderte.

Die Experten sehen dies anders.

Bereits wenige ppm-Jahre können wesentlich mitursächlich werden, und zwar im Rahmen der Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung, die zu beachten ist, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit vollkommen ausreichend ist.

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Obduktion bei Berufskrankheiten

„Strengbeweis“ in Form der Obduktion bei Berufskrankheiten;
hier: Was aber, wenn der Berufserkrankte noch lebt?

Die Berufsgenossenschaften und dem folgend die Sozialgerichtsbarkeit fordern im Berufskrankheitsfall etwa, daß die Erkrankung mit Gewißheit, d.h. im sog. „Strengbeweis“ erwiesen sein muß.

Was bedeutet dies für den noch lebenden asbestkrebskranken Versicherten?

In einem Fall eines Asbestzementherstellers bedeutete dies, daß zu Lebzeiten keine Entscheidung getroffen worden ist hinsichtlich der Feststellung einer Berufskrankheit Nr. 4104, Asbestlungenkrebs in Verbindung mit einer Asbestose von Lunge oder Pleura.

Statt dessen wurde die Gemeindeverwaltung angeschrieben und gebeten, mitzuteilen, wenn der Betroffene verstorben ist.

Dann wollte man eine Obduktion durchführen.

Je nach Beweisgrad ergibt sich die Möglichkeit, zu Lebzeiten Feststellungen zu treffen oder aber auch nicht.

Geht man nach § 202 Sozialgerichtsgesetz, § 287 I ZPO, reicht für die Feststellung, ob ein Schaden, d.h. hier eine Berufskrankheit entstanden ist, die freie richterliche Überzeugungsbildung.

Wörtlich heißt es in § 287 ZPO analog:

„Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung.“

Gemessen an der IAO-Liste lag nach 20jähriger Asbestbelastung des Erkrankten ein Asbestlungenkrebs nahe, gleich ob dieser mit einer Asbestose vergesellschaftet war oder nicht oder etwa mit den später hinzugekommenen 25 Asbestfaserjahren.

Man hätte also zu Lebzeiten den Fall entschädigen können und müssen, erst recht deshalb, weil es sich um einen Familienvater handelte, verheiratet, 7 Kinder.

Als nun die abgewartete Obduktion durchgeführt wurde, übersah der Pathologe die Brückenbefunde einer Minimalasbestose der Lunge oder Pleura.

Nachdem eine Arbeitgeberhaftung hilfsweise angegangen wurde anwaltlich, löste sich allerdings der Fall von da auf, und zwar in der Art und Weise, daß die Berufsgenossenschaft nun doch anerkannte.

Dem Pathologen, welcher die Brückenbefunde nicht gesehen hatte, wurde eine Fehleinschätzung nachgesagt.

Die Frage stellt sich nach wie vor, und zwar in den einschlägigen Berufskrebsfällen, ob man nun den Strengbeweis und die Obduktion fordert, obzwar der Versicherte noch lebt, oder aber einen Beweisgrad gem. § 287 Abs. 1 ZPO gelten läßt.

In letzterem Fall kann zu Lebzeiten anerkannt und entschädigt werden, mit dem Restrisiko, daß sich vielleicht der Fall bei Obduktion doch anders darstellt.

U.E. kann die Berufsgenossenschaft und muß die Berufsgenossenschaft mit diesem Restrisiko leben, eben weil § 202 SGG verbindlich ist, indem auf die ZPO analog verwiesen wird.

In die Falle des Pathologen laufen die Versicherten, ob nun Asbestosefälle oder Silikosekranke, weil als letzter Beweis berufsgenossenschaftlich der pathologische Beweis angestrebt wird.

Dieserhalb ist in der künftigen Entschädigungspraxis das Schlimmste zu erwarten.

Dabei ist die pathologische Beweiserhebung in Form der Obduktion sehr oft irreführend, eben weil durch Umbauvorgänge eine Minimalasbestose etwa längst ausgewaschen sein kann oder durch das Fahrerfluchtphänomen der Weißasbest in Fortfall gekommen ist.

Im Falle des Familienvaters mit Kindern bedeutete das Zuwarten der Berufsgenossenschaft, daß dieser verstarb, ohne seine Familie versorgt zu wissen, etwa durch berufsgenossenschaftliche Leistungen, die 80 % des Bruttojahresarbeitsverdienstes ausmachten, als diese nun später festgestellt werden mußten.

Die Verwaltungsberufsgenossenschaft ließ es sich in einem vergleichbaren Fall angelegen sein, den noch lebenden asbestkrebskranken Versicherten mit der Formularfrage zu kontaktieren, ob dieser nun seiner Obduktion künftig zustimmen würde, damit die Berufsgenossenschaft ihre Feststellungen treffen könne.

Aber auch in diesem Fall konnte unsere Kanzlei helfen, ohne daß der Versicherte auch nur obduziert wurde, selbst dann nicht, als er verstarb.

Was der oben zitierte „Strengbeweis“ im Sozialrecht zu suchen hat, erschließt sich nach diesen Erfahrungen erst recht nicht.

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Sturz beim Aussteigen aus der Dusche

Sturz beim Aussteigen aus der Dusche während stationärer Behandlung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII

Beim Aussteigen aus der Krankenhausdusche stürzte die Patientin, weil keine Haltegriffe an der Dusche vorgesehen waren, und zwar mit der Folge eines Oberschenkelbruchs rechts.

Das Krankenhaus selbst nahm zu der Beschwerde der Patientin wie folgt Stellung:

„Ihre Kritik bezüglich der Schutzvorrichtungen im Sanitärbereich der Station besteht zu Recht.“

Nur die zuständige Verwaltungs-Berufsgenossenschaft bestreitet:

„Das Vorhandensein von Haltegriffen in einer Dusche ist bei den durchschnittlichen häuslichen Gegebenheiten eher die Ausnahme denn die Regel. Vielmehr stellen Haltegriffe in einer Dusche ein zusätzliches, behindertengerechtes Hilfsmittel dar. Das Fehlen solcher zusätzlichen Hilfsmittel reicht aber eben für die Annahme einer besonderen, krankenhaustypischen Gefahrenquelle nicht aus.“

Die eigenen Verhältnisse der Patientin zuhause interessieren die Berufsgenossenschaft dabei nicht.

Urteilen Sie selbst, ob die Patientin den Unfall erlitten hat, weil sie in stationärer Behandlung war oder ob die stationäre Behandlung lediglich „Gelegenheitsursache“ gewesen ist.

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Gesetzliche Vermutung des Todesfallzusammenhangs

Gesetzliche Vermutung des Todesfallzusammenhangs bei anerkannter Berufskrankheit Nr. 4104 (Asbestlungenkrebs) mit einer MdE von 100 %;
hier: Berufsgenossenschaftlicher Versuch, der Witwe des berufskranken Ehemannes die Hinterbliebenenleistungen zu versagen

Der Ehemann der Klägerin, welche vor dem SG Köln klagte – S 18 U 267/06 – bezog zu seinen Lebzeiten eine Verletztenvollrente aufgrund einer Berufskrankheit Nr. 4104, Asbestlungenkrebs.

Ab 50 % MdE gilt in einem solchen Fall der Tod als Folge der Berufskrankheit, wenn nicht offenkundig das Gegenteil der Fall ist.

Offenbar ohne die Witwe darüber zu unterrichten, daß es diese gesetzliche Vermutung gibt, veranlaßte die beklagte Bau Berufsgenossenschaft, Wuppertal, ein Zusammenhangsgutachten seitens Prof. Tannapfel vom Mesotheliom-Register als Pathologin der Berufsgenossenschaften.

Die gesetzliche Vermutung ist in § 63 Abs. 2 SGB VII zwingend vorgesehen.

Die Beratungspflicht der Berufsgenossenschaft ergibt sich aus § 14 SGB I, wo es heißt:

„Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.“

Nicht einmal ein Gutachterauswahlrecht mochte die Beklagte Bau-Berufsgenossenschaft der Witwe anbieten, angeblich würde dies nicht gelten für den Todesfall.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurde die Bau-Berufsgenossenschaft, die einen Vertreter von einer anderen Berufsgenossenschaft geschickt hatte, antragsgemäß verurteilt, die gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen in Form von Witwenrente und Sterbegeld zu gewähren.

Seitens der Berufsgenossenschaft wurde dann zugleich Rechtsmittelverzicht erklärt.

Im Verfahren hatte sich herausgestellt, daß es Fälle gibt, wonach die Metastasen des bösartigen Lungentumors ein differentes Erscheinungsmuster aufweisen, ohne daß dies den Zusammenhang aufhebt, geschweige denn, daß die Berufsgenossenschaft den Offenkundigkeitsbeweis für das Gegenteil eines Zusammenhangs gegenüber der gesetzlichen Vermutung führen könnte.

Der vorliegende Fall erinnert bzw. gemahnt an die Versuche, einen unbekannten Primärtumor ins Feld zu führen, als ob dies bei einer Obduktion überhaupt naheläge.

Jedenfalls wich das Mesotheliom-Register der Berufsgenossenschaften nicht von dem Weg ab, Zusammenhänge in Zweifel zu ziehen.

Ohne den Rechtstreit vor dem Sozialgericht Köln würde die Witwe keine Rente der Berufsgenossenschaft für den Tod ihres Ehemannes erhalten, welche 40 % des Brutto-Jahresarbeitsverdienstes ausmacht.

Anmerkung:

Der 17. Senat des Landessozialgerichts NRW verneint eine Pflicht der Berufsgenossenschaft, die Witwe oder Waisen etwa über die gesetzliche Vermutung des § 63 Abs. 2 SGB VII zu informieren bzw. aufzuklären, obwohl die Vorschriften des § 63 Abs. 2 SGB VII und des § 14 Sozialgesetzbuch 1 keinen Zweifel daran lassen, daß die Berufsgenossenschaft als Leistungsträger beratungspflichtig ist, bevor eine Obduktion veranlaßt wird.

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Arbeitsunfall Gabelstapler

Ein Arbeiter einer Papierfabrik, der an Bluthochdruck leidet, wird kniend neben dem Gabelstapler in der Rohstoffhalle angetroffen, als er nicht mehr ansprechbar ist aufgrund einer gerade erlittenen Hirnblutung

Indizien für einen Arbeitsunfall sind hier die Tatsache, daß der Schaden auf der Betriebsstätte und während der Arbeitszeit aufgetreten ist.

Für den inneren Zusammenhang ist die Frage von Bedeutung, ob das Bewegen eines 500 kg bis 1.000 kg schweren Zopfes im Pulper und das Bewegen eines 1.000 kg schweren Altpapierballens hier zuviel waren für den Versicherten.

Versäumnisse der Berufsgenossenschaft bestehen darin, daß trotz dieses schweren Falles einer Hirnblutung auf der Arbeitsstätte gleichwohl der Technische Aufsichtsdienst keine Unfalluntersuchung vorgenommen hat und keinen Unfalluntersuchungsbericht gefertigt hat.

Außerdem wurde weder berufsgenossenschaftlich noch sozialgerichtlich ein Gutachten eingeholt, und zwar bis zur mündlichen Verhandlung am 03.03.2010.

Der Vorsitzende Richter meinte in der mündlichen Verhandlung, es wäre seitens der Klägerin leichtfertig, von einer schweren Arbeit am Unfalltage auszugehen, obwohl sich der Ehemann selbst immer wieder über die schwere Arbeit beklagte.

Jedenfalls war diese Arbeit am Unfalltag zuviel für den Versicherten, dem bereits die Hirnblutung drohte.

Droht einem bluthochdruckkranken Versicherten die konkrete Gefahr einer Hirnblutung, ist eine schwere Arbeit, also auch die letzte Schicht, contraindiziert, so daß sich hieraus die wesentliche Mitursächlichkeit ergeben kann, ohne daß eine Lebenszeitverkürzung um 1 Jahr nachzuweisen wäre.

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Tödliches Pleuramesotheliom der Hausfrau

Tödliches Pleuramesotheliom der deutschen Hausfrau, welche über 9 Jahre die asbestkontaminierte Arbeitskleidung ihres Mannes gereinigt hatte wie ein Versicherter;
hier: „Sozialbarock“

Da diese Art Fälle bis heute nicht gelöst sind in Deutschland, sei daran erinnert, wie der erste Fall dieser Reihe von Fällen verlief, den wir zur berufsgenossenschaftlichen Entschädigungspflicht angemeldet hatten.

In II. Instanz beim Landessozialgericht NRW obsiegte die Hausfrau, welche „wie ein Versicherter“ die Arbeitskleidung ihres Mannes gereinigt hatte und davon tödlich erkrankte.

Dies ließ die Berufsgenossenschaft allerdings nicht ruhen, deren Verwaltung in Revision ging.

Das Bundessozialgericht mochte bei Anwendung der Lehre von der finalen Handlungstendenz, einer berufsgenossenschaftlichen Lehre, keinen gewerblichen Aspekt erkennen, sondern nur private Momente.

Dem Bundesverfassungsgericht war die Angelegenheit nur einen Zweizeiler wert, mit welchem die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wurde.

Dieser Beschluß trug die Unterschrift des späteren Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland.

Die Zeiten waren vorbei, als man beim Bundesverfassungsgericht noch dafür hielt, den Versicherungsschutz des Naciturus, d.h. der Leibesfrucht, in der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewährleisten.

Statt dessen kursierte in Richterkreisen das Wort des Präsidenten bzw. Verfassungsrichters, die Zeiten des Sozialbarocks seien vorbei.

Mehr Verständnis, jedenfalls was die Überlänge des Verfahrens anbetraf, zeigte der Europäische Gerichtshof, der eine Verzugsentschädigung von 10.000,00 DM zusprach, womit eine gewisse Linderung verbunden war.

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Tierversuch und Menschenversuch im deutschen Berufskrankheitenrecht

Tierversuch und Menschenversuch im deutschen Berufskrankheitenrecht
Der Onkologe und Krebsforscher Prof. F. Pott von der Universität Düsseldorf konnte im Tierversuch die Bildung von Mesotheliomerkrankungen nachweisen, die durch Asbest verursacht werden.

Bei den Pleuramesotheliomen ergab dies aber auch schlagend dann der „Menschenversuch“, indem Versicherte – Männer oder Frauen – über Jahrzehnte bis in die Gegenwart hinein ungeschützt der Asbestbelastung beruflicher Art ausgesetzt waren oder dadurch, daß die Arbeiter, etwa die Asbestisolierer, ihre asbestkontaminierte Arbeitskleidung mit nach Hause nahmen, wo die Hausfrauen diese ausbürsteten, und zwar im Beisein der Kinder.

So konnten also, wie der „Menschenversuch“ erweist, auch die Hausfrauen an einem Pleuramesotheliom erkranken und ebenso die Kinder von Asbestwerkern.

Die Schädigung der sog. Bystander wäre kein berufsgenossenschaftliches Problem, wollen die Berufsgenossenschaften Glauben machen.

Man nehme nur einmal die Karte der Umgebungsmesotheliome in Hamburg-Bergedorf zur Hand, um zu ergründen, was hier passiert ist.

Selbstverständlich sind auch Schadensfälle, die „wie ein Versicherter“ erlitten werden, berufsgenossenschaftlich entschädigungspflichtig, § 2 Abs. 2 SGB VII, vormals § 539 Abs. 2 RVO.

Aber zurück zum Tierversuch, wenn nunmehr Ratten Quarzstaub appliziert wird und diese dann den Krebs entwickeln, wie eine Doktorarbeit ausweist.

Natürlich erhält die Ratte keine Entschädigung, aber auch nicht derjenige Versicherte, der im vergleichbaren Fall einen Lungenkrebs erleidet, ausgenommen die Fälle des Schwielenkarzinoms 4101 oder Fall BK 4112.

Dies ist schon bitter.

Denn es gilt die Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommen ausreichend ist.

Auf BSG in NJW 1964, 2222 wird Bezug genommen, wo die Rede ist von eben dieser Kausalitätsnorm und der Hinweis gegeben wird, daß selbst verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingungen beruflicher Art sehr wohl wesentlich sein können.

Im Bereich der Berufskrankheitenliste interessiert dies weniger, weil hier nicht kausal gedacht wird, sondern nach Liste.

Wird die Erweiterung der Liste sozialpolitisch verhindert, geht der Geschädigte leer aus.

Die Anforderungen einer Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall, die bis zur Verordnungsreife gediehen sein muß, um Anerkennung zu finden, kann der Normalsterbliche nicht erfüllen.

Dabei handelt es sich um den höchsten Beweisgrad, der bekannt ist, nämlich die Verordnungsreife im Sinne der Berufskrankheitenverordnung.

So werden nicht einmal bei einem Marmorschleifer, der dies über die Jahrzehnte getan hat, trotz ärztlicher Zusammenhangsdiagnose neue Erkenntnisse dahingehend anerkannt, daß dieser Betroffene seine COPD, d.h. sein obstruktives Asthmabronchiale, durch die schlimme Berufsarbeit erlitten hat mit der Folge schwerer Atemnot.

Die Leistung, welche die Berufsgenossenschaft bei Anerkennung schulden würde, könnte die Verletztenvollrente sein und ein Pflegegeld sowie die Heilbehandlung.

Erinnert sei an das Referat des amerikanischen Pathologen Prof. Suzuki vom Mount Sinaihospital in New York, welches in Bochum gehalten wurde, wo der Sachverständige berichtete, Asbest in Ratten injiziert zu haben, mit der unbestreitbaren Folge, daß die Asbestfasern auf alle Organe einwirkten bzw. diese erreichten.

Demgegenüber ist bei den Asbesterkrankungen der Entschädigungsansatz für den Menschen partiell ausgelegt, mag es sich um die Lunge oder Pleura handeln.

Eine Erkrankung des Blutes wiederum wird nicht als Asbestfolge anerkannt.

Hier käme die Berufskrankheit Nr. 1303 ins Spiel, die Benzolerkrankung.

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Asbestoserente gestützt von nur 10 % MdE

Bildung einer Stütz-MdE, Rentensatz, bei einer Asbestoserente, Asbestoserente gestützt von nur 10 % MdE

Früher wurde berufsgenossenschaftlich die Auffassung vertreten, bei einer beruflichen Atemwegserkrankung, sei es eine Asbestose hier eines Maschinenschlossers oder sei es bei einer Silikose des Bergmannes oder Sandstrahlers, es könne eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von unter 20 % nicht ausgemessen werden.

Darum wurde seinerzeit auch bei einer Stützsituation, etwa ein anderer Arbeitsunfall unterhielt ebenfalls eine MdE von 10 oder 15 %, gleichwohl keine Verletztenrente gewährt.

Obwohl diese frühere Auffassung nicht haltbar war und ist, deutet dieser Umstand auf ein anderes Moment, nämlich auf die Regeln der abstrakten Schadensberechnung.

Wohlgemerkt, die Gewährung einer Verletztenrente bei einer Asbestose ist nicht davon abhängig, daß der Betroffene einen Verdienstausfall erleidet.

Vielmehr wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit, d.h. der Rentensatz abstrakt berechnet.

Man vergleicht die Erwerbsmöglichkeiten, die dem Betroffenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuvor offenstanden, mit den danach verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Dieser Vergleich ergibt, wenn man etwa 9 Mio. inhalativ belasteter Arbeitsplätze alte Bundesländer zugrunde legt, Berechnung der IG-Metall seinerzeit, etwa einen Rentensatz von 30 % bzw. eine MdE von 30 %.

Hier wendet dann die Rechtsprechung ein, dieser Schaden abstrakter Art wäre nicht funktionsbezogen, sondern präventiv bedingt, weil die anderweitigen Belastungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus Gründen der Prävention gemieden werden müssen.

Dies hebt allerdings nicht die wesentliche Mitursächlichkeit im Sinne der abstrakten Schadensberechnung auf, vgl. nunmehr zwingend § 56 Abs. 2 SGB VII, wo die Grundsätze der abstrakten Schadensberechnung aufgeführt sind, und wo der Schaden nicht davon abhängig ist, bzw. nicht allein davon abhängig ist, wie gravierend der Funktionsausfall ist.

Abgesehen davon nimmt eine Asbestose einen rasanteren Verlauf, als die berufsgenossenschaftliche Entschädigungspraxis, die gewissermaßen den Schadenfällen hinterherhinkt bzw. diesen Schadenfällen gar nicht gerecht wird, wie die internationale Statistik der Kurven von Asbestosen etwa erweist.

Die Entschädigungszahlen erscheinen gegenwärtig als gewissermaßen eingefroren.

Die Spitze der Schadensfälle wird demgegenüber wiederum für 2015 erwartet.

Wegen der Nachuntersuchungen ist überdies sicherzustellen, daß solche in einjährigem Abstand stattfinden, nicht erst nach zwei Jahren jeweils.

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Gleichzeitige berufliche Asbestbelastung und private Rauchgewohnheit

Die Multiplikation des Effektes durch gleichzeitige berufliche Asbestbelastung und private Rauchgewohnheit;
hier: Hammond

Der amerikanische Forscher Hammond ermittelte folgendes interessante Verhältnis.

Bei einem Lungenkrebsrisiko vom 5-fachen des Asbestwerkers und des 10-fachen beim Zigarettenraucher ergibt sich ein Lungenkrebsrisiko vom 53-fachen, wenn die berufliche Asbestbelastung und die private Rauchgewohnheit zusammentreffen.

Bei den berufsgenossenschaftlichen Entscheidungen zur Berufskrankheit Nr. 4104, Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs bei Vorliegen von 25 Asbestfaserjahren, spielt allerdings diese Feststellung des amerikanischen Forschers nicht die geringste Rolle bzw. beeindruckt dies nicht die Berufsgenossenschaft.

Auch wenn also Asbestbelastungen beruflicher Art und Rauchgewohnheit zusammenkamen, wird gewissermaßen monokausal das Vorliegen von 25 Asbestfaserjahren gefordert, obwohl bereits klar ist, daß selbst fünf Asbestfaserjahre oder sieben Asbestfaserjahre beim Raucher nicht bloße Gelegenheitsursache sein können, sondern eine wesentliche mitursächliche Bedingung darstellen, wenn dieser Versicherte dann später an einem Lungenkrebs oder einem Kehlkopfkrebs erkrankt.

Die Einschränkungen in der Berufskrankheitenliste verstoßen auch deutlich gegen die sog. Kausalitätsnorm, die zu Gewohnheitsrecht erstarkt ist, also Gesetz im materiellen Sinne wurde, demzufolge wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommen ausreichend ist.

Nach wie vor fehlt es an einer kausalen Betrachtungsweise, etwa was die Asbestfälle anbetrifft mit deren multiplikativem Effekt, nämlich die Auswirkungen des Zigarettenrauchens um das 5-fache zu steigern.

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