Lungenkrebs nach beruflicher Asbestexposition

Lungenkrebs nach beruflicher Asbestexposition (Asbeststaublungenerkrankung);

hier: Anwendung der BK-Nr. 4103 erste Alternative

Zur Sache:

Der Versicherte musste beruflich im Zusammenhang mit Filtrierarbeiten in Brauereien pures Asbestpulver abgepackt in Kilos gewissermaßen aus der Papiertüte zupfen und einbringen in den Filtriervorgang.

Dabei war der Kläger ungeschützt, was unstreitig ist.

Auf das Urteil Sozialgericht Koblenz S 1 U 1/13 wird dieserhalb Bezug genommen.

Wäre eine Asbeststaubbelastung von sogenannten 25 Asbestfaserjahren nicht bestritten worden, und zwar durch die Berufsgenossenschaft, hätte sich die Frage nach der Nr. 4103 der Berufskrankheitenliste nicht gestellt, also, ob nicht dann die BK-Nr. 4103 erste Alternative anzuwenden ist.

Zu den arbeitstechnischen Bedingungen des Versicherten geht das Sozialgericht Koblenz davon aus, dass der Kläger in der Zeit von September 1969 bis Mitte Februar 1974 sowie von Mitte Mai 1975 bis Dezember 1982 beruflich von Asbesteinwirkungen betroffen war.

Die Berufsgenossenschaft geht davon aus, dass der Versicherte, der von Beruf Brauer war, während seiner Tätigkeit im Zeitraum 1969 bis 1982 keinen Atemschutz getragen hat und, daß an den asbestrelevanten Arbeitsstellen keine technische Absaugung zur Verfügung stand.

Erst recht hätte sich bei diesem Sachverhalt der Unterlassung einer Berufskrankheitsverhütung durch die Berufsgenossenschaft die Frage stellen müssen für die Berufsgenossenschaft, ob es denn nicht dann sich um eine Asbeststaublungenerkrankung handelt, so wie die Asbestose in der ersten Alternative BK-Nr. 4103 definiert ist.

Bei Anwendung der Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfall- und Berufskrankheitenversicherung hätte nicht übersehen werden können, dass ein jahreslanges Asbestzupfen ungeschützt seitens des Versicherten wesentlich mitursächlich ist für das Entstehen dieser hier in Rede stehenden Lungenkrebserkrankung.

Die Kausalitätsnorm, die zu Gewohnheitsrecht erstarkt ist in der Berufskrankheitenversicherung, erfasst ausdrücklich die wesentliche Mitursächlichkeit einer beruflichen Bedingung.

Selbst eine verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung beruflicher Art kann sehr wohl wesentlich sein, wie das BSG hervorhebt in NJW 1964, 2222.

Der vorliegende Lungenkrebs ist also im Sinne der Definition der Asbestose eine Asbeststaublungenerkrankung, wenn wie hier eine derartige Asbestbelastung beruflicher Art vorausgegangen ist.

Dabei ist der Lungenkrebs nach beruflicher Asbesteinwirkung sowohl im Wort als auch im Sachsinne eine Asbeststaublungenerkrankung, so dass eine Subsumtion unter der BK-Nr. 4103 erste Alternative möglich erscheint.

Nicht wiedergefunden wurde im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Koblenz der Vortrag zur BK-Nr. 4103 etwa gemäß Schriftsatz vom 22.04.2014 an das Sozialgericht Koblenz oder im Widerspruch wegen der Berufskrankheit Asbestose Nr. 4103, der die folgende Besonderheit hat

„mithin handelt es sich vorliegend nach gebührender beruflicher Asbestexposition von mindestens 5 Asbestfaserjahren um eine Asbeststaublungenerkrankung bei dem Lungenkrebs des Klägers.“

Die geltend gemachte besondere Auslegung der BK-Nr. 4103 erste Alternative stößt auf so wenig Gegenliebe bei dem Sozialgericht oder Landessozialgericht, dass man dann auch in den Urteilen sich nicht damit auseinandersetzt.

Der diesbezügliche Klagevortrag geht in den angefochtenen Urteilen bzw. in den Urteilen Sozialgericht Koblenz und Landessozialgericht Rheinland-Pfalz dort L 2 U 146/14 gewissermaßen verloren.

Dabei bleibt dann die Frage nach der Kausalität des Asbestzupfens hier eines Bierbrauers im Sinne also einer wesentlichen Mitursächlichkeit offen, was die BK-Nr. 4103 anbetrifft, erste Alternative.

Gerichtlich wird überdies nicht gesehen, dass es eine Vorschrift § 2 Abs. 2 SGB I gibt, wonach bei der Auslegung der sozialrechtlichen Vorschriften sicher zu stellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.

Im vorliegenden Fall kam es gar nicht erst zu einer Auslegung.

Rolf Battenstein
Fachanwalt für Sozialrecht

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Wegfall der Gefahrklasse

Wegfall der Gefahrklasse kaufmännisch-verwaltender Teil in den Gefahrtarifen der Berufsgenossenschaften und entsprechende Beitragserhöhung nach dem gewerblichen Tarif

Zu Unrecht verweigern die Berufsgenossenschaften die Teilnahme der betroffenen Mitgliedsunternehmen an der Widerspruchsstellensitzung, die im Streitfall berufen ist, hier zu entscheiden, und zwar im Rahmen einer Rechtmäßigkeitsprüfung und einer Zweckmäßigkeitsprüfung.

Letzteres scheuen die Berufsgenossenschaften nun deutlich.

Aus einem Widerspruchsbescheid der betreffenden Berufsgenossenschaft sei einmal zum Thema zitiert, was gemeint ist berufsgenossenschaftlich.

„Bezogen auf die Aufteilung der nachweispflichtigen Arbeitsentgelte zwischen gewerblich-technischem und kaufmännisch-verwaltendem Teil eines Unternehmens ist es in der Praxis regelmäßig zu unterschiedlichen Interpretationen dieser Vorschrift seitens der Unternehmer gekommen. In der Folge haben sich bei Lohnbuchprüfungen einerseits immer wieder Beitragsnachforderungen, Unstimmigkeiten und Streitverfahren zwischen den betroffenen Mitgliedsunternehmen und der BGHM bzw. ihrer Rechtsvorgängerin ergeben. Andererseits hat der ungerechtfertigte Entzug von Lohnsummen aus den gewerblich-technischen Gefahrklassen fortschreitend zu deren Erhöhung und rechnerischen „Verfälschung“ geführt.“

Deshalb also greifen die Berufsgenossenschaften auf die Lohnsummen aus dem kaufmännisch-verwaltenden Teil zu zum Schaden der Mitgliedsunternehmen.

Eine Rechtfertigung ist dies bei Leibe nicht, § 157 Abs. 2 SGB VII außer Kraft zu setzen berufsgenossenschaftlich, wo diese Vorschrift doch zwingend vorgibt, Gefahrengemeinschaften zu bilden nach Gefährdungsrisiken.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

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