Beratungsärztliche Stellungnahme zum Einwand der sog. „völligen Erwerbsunfähigkeit“

Beratungsärztliche Stellungnahme zum Einwand der sog. „völligen Erwerbsunfähigkeit“ in einem besonders schweren Fall der Berufskrankheit Nr. 4111 (Bergarbeiteremphysem)

Die Erkrankte kehrte ab vom untertätigen Bergbau 1958 bei Nachweis von 131,4 Staubjahren.

Die medizinische Folge geht dahin, daß schwergradige obstruktive Ventilationsstörungen vorliegen und eine schwergradige Lungenüberblähung bei Nachweis einer MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) von 100 % seit dem 12.02.2015.

Statt nun aber in die Gewährung einer Verletztenrente aus Anlaß dieser Berufskrankheit Nr. 4111, anerkannt, einzutreten, erteilt die Berufsgenossenschaft der Erkrankten einen Bescheid dahin, ein Anspruch auf Rente wegen der Berufskrankheit bestehe nicht, weil sie, d.h. die Erkrankte, zur Zeit des Versicherungsfalls wegen anderer Leiden bereits völlig erwerbsunfähig gewesen sei, d.h. nicht mehr in der Lage gewesen sei, mit ihrer Arbeitskraft noch einen lebenswerten Verdienst auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erlangen.

Durch die Berufskrankheit könne daher ihre Erwerbsfähigkeit nicht weiter herabgesetzt werden.

Wohlgemerkt, es geht hier um die Ablehnung der Verletztenvollrente aus Anlaß der anerkannten Berufskrankheit Nr. 4111, wobei die MdE von 100 % vom Beratungsarzt festgesetzt wurde.

Aus einem früheren Versicherungsfall nach dem Fremdrentengesetz, einem Arbeitsunfall vom 23.12.1953, bezieht die Versicherte eine Verletztenrente nach einer MdE von 60 %, wobei Arbeitsunfallfolge eine posttraumatische Epilepsie ist.

Nach § 56 Abs. 2 SGB VII richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.

Da die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei der Verletztenrente der Berufsgenossenschaft abstrakt berechnet wird und nicht konkret, etwa in Form des Verdienstausfalles konkreter Art, erscheint der Einwand der völligen Erwerbsunfähigkeit als gewissermaßen vorgeschoben.

Tatsächlich geht es um die körperlichen Beeinträchtigungen und Funktionsbehinderungen bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit.

Daß in der Verletztenrente der Berufsgenossenschaft bzw. in der MdE ein Schmerzensgeldanteil enthalten ist, wird bei dem Einwand der völligen Erwerbsunfähigkeit vernachlässigt.

Also nicht nur die Verletztenrente entfällt im Ganzen, sondern auch der darin enthaltene Schmerzensgeldanteil fällt ersatzlos fort.

Daß ausgerechnet die schlimmsten Fälle der Erwerbsunfähigkeit, wie hier in dem Fall einer Berufskrankheit 4111 mit einer MdE von 100 %, entschädigungslos bleiben sollen, kann nicht hingenommen werden.

Das Gesetz, also die Vorschrift des § 56 Abs. 2 SGB VII enthält einen solchen Einwand der völligen Erwerbsunfähigkeit überdies nicht.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht