Bandscheibengeschädigte Krankenschwester

Verstoß gegen die Denkgesetze im Falle einer bandscheibengeschädigten Krankenschwester bei einer Lebensarbeitsdosis von 127 % = Dosis nach dem MDD-Modell in Höhe von 21,65 Nh.

Im folgenden Fall urteilte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – L 17 U 234/09 – gegen die Berufskrankheit der Krankenschwester, die von 1977 bis Juni 2006 als Krankenschwester lendenwirbelsäulengefährdet tätig war.

Bei einer CT-Untersuchung der unteren Lendenwirbelsäule am 06.07.2006 zeigte sich ein Bandscheibenvorfall L5/S1 und eine schwere Osteochondrose L4/L5.

Während nun alles für das Vorliegen der Berufskrankheit 2108 sprach, die arbeitstechnischen Voraussetzungen waren gegeben und ein schwerer Lendenwirbelsäulenschaden im Sinne eines Bandscheibenschadens lag vor, wußten es die Gutachter und damit dann auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen besser, und zwar anhand der sog. Konsensusempfehlungen.

Diese Konsensusempfehlungen sind herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und von daher ein typisches Parteigutachten antizipierter Art.

Die schwere Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule soll dann nicht entschädigt werden, weil gleichzeitig an der „belastungsfernen – HWS“ (Halswirbelsäule) ebenfalls ein Bandscheibenschaden zu verzeichnen ist.

Deutlicher kann man die Denkgesetze nicht verletzen, wenn man aufgrund eines weiteren Schadens den Erstschaden ausschließt, gleich, ob es sich um dasselbe Organ handelt oder nicht.

Überdeutlich verletzt wird überdies auch die sog. Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung und Berufskrankheitenversicherung, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommen ausreichend ist.

Statt dessen pflegt der 17. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen hier einen monokausalen Ansatz bzw. die monokausale Anforderung der Ursächlichkeit der beruflichen Bedingungen.

Demgegenüber muß auf BSG in NJW 1964, 2222 Bezug genommen werden, wo die Rede ist von eben dieser Kausalitätsnorm und der Hinweis gegeben wird, daß selbst eine verhältnismäßig niedriger zu werdende Bedingung beruflicher Art sehr wohl wesentlich sein kann.

Wie eine solche Ursächlichkeit bzw. Mitursächlichkeit ausgeschlossen werden kann im vorliegenden Fall, erschließt sich nicht.

Vielmehr wird auch die praktische Lebenserfahrung verletzt, kraft derer zu folgern wäre, daß eine typische Belastung einer Krankenschwester auch ein entsprechendes Schadensbild generiert, was die Lendenwirbelsäule anbetrifft.

Alle wesentlichen Entscheidungen, also auch die Umschreibung etwa der Berufskrankheit Nr. 2108 sind dem Gesetzgeber, hier dem Verordnungsgeber vorbehalten und nicht etwa dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften oder dem Spitzenverband der gesetzlichen Unfallversicherung, welche als Herausgeber von Beweisregeln firmieren, die mit den Denkgesetzen nicht in Einklang zu bringen sind.

Der Berufsrichter eines anderen Berufungsgerichtes äußerte sich dahingehend, daß es im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit den Begriff des Parteigutachtens nicht gäbe.

Da fragt es sich, was denn die Rechtsuchenden tagtäglich in den Berufskrankheitsfällen erleben.

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Berufliche Blasenkrebserkrankung Nr. 1301

Berufliche Blasenkrebserkrankung Nr. 1301 durch die Einwirkung aromatischer Amine

Nach der Angabe eines Technischen Aufsichtsbeamten einer Berufsgenossenschaft enthält der Report über die aromatischen Amine keine Hinweise auf die Teerstoffe beim Unterbodenschutz in der Automobilreparatur oder Herstellung.

Der B-PaP-Bericht gebe Hinweise darauf, daß teerhaltige Produkte im Unterbodenschutz für Kraftfahrzeuge enthalten sind.

Der Kläger bestätigte in dem Verfahren LSG NRW – L 15 U 252/06 – in der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2010 folglich:

„Daß ich nahezu täglich für ein bis zwei Stunden mit Unterbodenschutzarbeiten beschäftigt war und dabei 1 bis 4 Liter Teerstoffe verbraucht habe. Es mag sein, daß ich entsprechende Angaben früher nicht gemacht habe. Damals ging es aber letztlich auch um andere Arbeitsabläufe. Außerdem kann ich ja nicht mehr wissen, was ich etwa zu Beginn meiner Lehre mit 14 Jahren für Arbeiten verrichtet habe.“

Im Ergebnis stellte das Landessozialgericht auf die Rauchgewohnheiten des Versicherten ab, statt hier die Teerbelastung durch die Berufsarbeit entsprechend zu würdigen.

Wegen der Versagung von Leistungen muß nunmehr ein Verfahren auf Überprüfung nach § 44 SGB X durchgeführt werden, wozu rechtsbehelfsfähiger Bescheid beantragt ist vom Versicherten.

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Amtsermittlungspflicht der Berufsgenossenschaft

Amtsermittlungspflicht der Berufsgenossenschaft im Berufskrebsfall, Lungenkrebs und Myelom (Plasmozytom)

Für die offenbar in einer verzweifelten Lage befindlichen Familie wurde am 03.06.2008 bei der Berufsgenossenschaft beantragt, Lebzeiten- und Hinterbliebenenleistungen zu gewähren aus Anlaß der Lungenkrebserkrankung und der Plasmozytomerkrankung des am 30.10.2007 verstorbenen Ehemannes.

Es war das Mitgliedsunternehmen der Berufsgenossenschaft, wo auch Abbrüche getätigt wurden, bezeichnet wurden, wo der Versicherte zuletzt tätig gewesen war, in Freiburg.

Daraufhin übersandte die Berufsgenossenschaft eine Reihe Vordrucke, welche die Ehefrau und auch die Waise nicht ausfüllten.

Die Bitte der Bevollmächtigten, einen Außendienstmitarbeiter zur Familie zu schicken, um die entsprechenden Angaben einzuholen, erfüllte sich nicht.

Statt dessen erteilte die Berufsgenossenschaft unter dem 24.10.2008 gegenüber der Ehefrau einen Bescheid, mit welchem die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen fehlender Mitwirkung versagt wurde.

Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg, angeblich wäre das sog. Versagungsermessen auf Null reduziert, so das Berufungsgericht, weshalb eigene Ermittlungen der Berufsgenossenschaft nicht erforderlich wären.

Eigene Ermittlungen der Berufsgenossenschaft wären in Ermanglung von Ermittlungsansätzen nicht erfolgversprechend.

Während das Gericht bzw. die Sozialgerichtsbarkeit im Laufe des Verfahrens – L 6 U 1347/10, S 17 U 5066/09 SG Freiburg – regelrecht unhöflich wurde, war dies immerhin im Schlußurteil nicht der Fall.

Die Unrichtigkeit des Urteils frappiert gewissermaßen.

Es war bezeichnet worden der Versicherte B. K., dessen Ehefrau und die Tatsache, daß eine Waise minderjähriger Art vorhanden sei.

Außerdem war der letzte Beschäftigungsbetrieb bezeichnet worden, V.B.K. Freiburg.

Gefährdende Tätigkeiten und die Diagnose Lungenkrebs und Myelom waren ebenfalls bezeichnet worden.

Mithin hätte die Berufsgenossenschaft ohne weiteres die Sache in die Hand nehmen können und durch ihren Außendienst umfassend abklären können.

Statt dessen stellte man die Telefonnummer des Außendienstmitarbeiters der Witwe zur Verfügung, worauf diese nicht reagierte.

Zwar bleibt der Witwe und der Waise vorbehalten, ihre Mitwirkung noch nachzuholen.

Allerdings ist dies kein Grund, wirksam die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung zu versagen, weil anderweitige Ermittlungsmöglichkeiten und Ansätze vorhanden waren, die für einen Berufskrebsfall ohne weiteres ausreichen, diesem nachgehen zu müssen.

Allerdings besteht weder berufsgenossenschaftlich noch sozialgerichtlich ein Interesse von Amts wegen, die Ermittlungen zu tätigen, obwohl dies der gesetzliche Auftrag ist.

So bleibt hier wieder einmal mehr eine berufskrebsgeschädigte Familie mit ihrem Schicksal allein.

Berufsgenossenschaft und Berufungsgericht schließlich rügten überdies das Fehlen einer Sterbeurkunde.

Als ob dies einen Versagungsgrund wegen fehlender Mitwirkung darstellen könnte.

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Zulassung der Revision

Zulassung der Revision wegen Divergenz des Berufungsurteils – L 15 U 34/09 – zu einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.11.1955 – 2 R U 93/54 =BSGE 2,78

Vorliegend ging es um einen tödlichen Wegeunfall eines Geschäftsreisenden auf einer Familienheimfahrt, welcher überdies einem Unfall-Pkw mit Fahrerin im Dunkeln ausgewichen war und dabei die Gewalt über das eigene Fahrzeug verloren hatte.

Der Leitsatz der damaligen BSG-Entscheidung lautet:

„Der Versicherungsschutz für Wege von und nach der Wohnung, die ständig, d.h. für längere Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet („Familienwohnung“), ist auch gegeben, wenn die ursprünglich am Ort der Arbeitsstätte vorhandene Familienwohnung später nach auswärts verlegt worden ist.“

Nachdem das Berufungsgericht eine Familienheimfahrt nicht gelten lassen wollte, war hier eine Divergenz zur früheren BSG-Rechtsprechung zu rügen.

Denn im vorliegenden Fall war die Ehefrau nach Aachen gezogen, was folglich nunmehr den neuen Lebensmittelpunkt darstellen mußte.

Zur Frage der Divergenz, die offenkundig vorliegt, verhält sich das Bundessozialgericht in einem neuen Beschluß – B 2 U 219/10 B – vom 09.11.2010 wie folgt:

„Soweit die Klägerin eine Divergenz geltend macht, genügt es nicht, darauf hinzuweisen, daß das Landessozialgericht seiner Entscheidung nicht die
höchstricherliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz.“

Demgegenüber lautet der Gesetzeswortlaut, der durch die Rechtsprechung des BSG entscheidend verkürzt wird, wie folgt:

„Die Revision sei zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht.“

Wo dann der Schutz der Familie in der gesetzlichen Unfallversicherung bleibt, wenn nicht mehr Lebensmittelpunkt die Wohnung der Ehefrau ist, hat die Sozialgerichtsbarkeit im Weiteren nicht geklärt.

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Verletzung des rechten Handgelenkes

Verletzung des rechten Handgelenkes eines Betonbohrers bei mißglücktem Arbeitsvorgang

Einem Betonbohrer, der sich am 13.08.2001 schwer am Handgelenk verletzte, wurde unter Androhung von angeblichen Verschuldenskosten die Rücknahme der Berufung abgerungen bei nachstehendem Sachverhalt.

Am 13.08.2001 verklemmte sich die Betonbohrmaschine und löste diese einen Schlag auf das Handgelenk aus, welches nach vorne gerissen und umgeschlagen worden ist.

Von daher kann die Berufskrankheit des langjährigen Betonbohrers, Berufskrankheit Nr. 2103, auch unfallartig erlitten worden sein.

Die Berufskrankheit Nr. 2103 wird wie folgt bezeichnet:

Erkrankungen durch Erschütterung bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen.

Der rechte Unterarm des Betonbohrers ist aufgrund des Schadenfalls operiert worden und macht den Eindruck eines Brettes gewissermaßen.

Von daher resultiert eine hohe MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit).

Statt nun in die Entschädigung einzutreten berufsgenossenschaftlich, wird offenbar eingewandt, es wären allerdings keine Veränderungen an den Ellenbogen und Schultergelenken feststellbar, so daß die Verletzung des Handgelenkes nicht von der Arbeit als Betonbohrer herrühren könnte.

Die Logik dessen erschließt sich nicht.

Wie die Erschütterung wirkt, ist im Einzelfall zu prüfen und nicht durch generelle Beweisregeln zu bestimmen.

Allerdings sind die Beweisregeln Legion, welche man den Betroffenen in den Berufskrankheitsfällen berufsgenossenschaftlich einwendet, und zwar ohne daß die Sozialgerichtsbarkeit dem ein Ende setzt.

Der Betonbohrer kämpft weiterhin um sein Recht, und zwar im Neufeststellungsverfahren nach § 44 SGB X.

Für den Verfasser ist der berufliche Schadensfall offenkundig, für die Berufsgenossenschaft wiederum nicht.

Dabei beurteilt sich die Wesentlichkeit einer Mitursache nach der praktischen Lebenserfahrung, die allerdings hier außenvor gelassen wird.

Diesseitiger Auffassung nach verstößt es gegen die Denkgesetze, wenn die langjährige Arbeit des Betroffenen als Betonbohrer und dann die arbeitsunfallartige Entstehung der Berufskrankheit abgelehnt wird bzw. der Zusammenhang abgelehnt wird, wenn denn dann ein degenerativer Schaden in Erscheinung tritt.

Viele Degenerationen bei gewerblichen Arbeiten sind gerade Ausdruck der jeweiligen Berufskrankheit, ob hier der Berufskrankheit Nr. 2103 oder etwa bei den Meniskuserkrankungen, Berufskrankheit Nr. 2102 etc.

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Erreichung der Anerkennung als Arbeitsunfall

Trunk aus einer Red-Bull-Flasche, welche der Arbeitskollegen mit einem Desinfektionsmittel gefüllt hatte;
hier:  Erreichung der Anerkennung als Arbeitsunfall im Rechtsstreit

Am Neujahrstag des Jahres 2005 beschäftigten sich zwei Mitarbeiter damit, eine Gaststätte wieder in Ordnung zu bringen.

Der eine Arbeiter hatte eine Red-Bull-Flasche bei sich, in welcher ein Desinfektionsmittel abgefüllt war, was zur Reinigung benötigt wurde.

Der verunglückte Arbeitnehmer ahnte nicht, als er aus der Red-Bull-Flasche trank, deren Inhalt ihn interessierte und weil er durstig war, daß die Red-Bull-Flasche kein Erfrischungsgetränk enthielt, sondern ein Desinfektionsmittel.

Die Folge war die Verätzung von Magen und Speiseröhre mit der Indikation der vollständigen Entfernung des Magens etc.

Nachdem die Berufsgenossenschaft zunächst abgelehnt hatte, wurde Widerspruch und Klage sowie Berufung erforderlich.

Dann konnte die Anerkennung erreicht werden, weil ohne den Arbeitseinsatz vom 01.01.2005 der Schaden sich nicht ereignet hätte.

Zunächst setzte die Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente von 40 % an, die dann im Widerspruchsverfahren auf 70 bzw. 50 % angehoben werden mußte.

Fazit: Verbotswidriges Verhalten schließt den Versicherungsschutz nicht aus.

Dies ist ausdrücklich im Gesetz so festgehalten, siehe Sozialgesetzbuch VII.

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Minimalasbestose

Minimalasbestose in Höhe von 10 bis maximal 40 Asbestkörpern pro Kubikzentimeter Lungengewebe in Deutschland, neun Jahre nach Beendigung der Asbestexposition

In einem Urteil des Sozialgerichts Hamburg – S 36 U 213/05 – findet sich folgende Fehlleistung:

„Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Diagnose Minimalasbestose an den staubanalytischen Nachweis von ca. 1000 eiweißumhüllten Asbestkörperchen pro Kubikzentimeter fibrösen Lungengewebes gebunden.“

Ein solcher Nachweis hätte bei der erwähnten Menge von max. 40 Asbestkörperchen pro Kubikzentimeter Lungengewebe nicht erbracht werden können.

Im selben Monat des Urteils des Sozialgerichts Hamburg fanden die Falkensteiner Tage im Vogtland statt, wo ausdrücklich der berufsgenossenschaftlichen Forderung von 1000 eiweißumhüllten Asbestkörperchen als Voraussetzung einer Minimalasbestose eine Absage erteilt wurde.

Der Grund liegt darin, daß in Deutschland zu 94 % Weißasbest verarbeitet wurde, verbunden mit dem wissenschaftlich festgestellten Phänomen, daß diese Belastung später in der Lunge nicht mehr auffindbar ist, Fahrerfluchtphänomen.

Wie man sieht, wirkt das Monopol des berufsgenossenschaftlichen Mesotheliomregisters besonders in den Asbestlungenkrebsfällen mit der fatalen Folge, daß die Anerkennung von Asbestlungenkrebsfällen an der Forderung des Nachweises von Asbestkörperchen scheitert, ob nun seinerzeit durch Prof. Müller oder heute durch Prof. Tannapfel.

Bei 40 Asbestkörperchen pro Kubikzentimeter Lungengewebe ist überdies eine erhöhte Asbestbelastung erwiesen.

Für die Witwe im Falle des Urteils des Sozialgerichts Hamburg ist es fatal, daß hier Rechtsprechung fortwirkt, die sich offenkundig als unrichtig erweist.

Abgesehen davon fanden sich nach berufsgenossenschaftlicher Berechnung, die zwar zu kurz greift, immerhin 15 Asbestfaserjahre, was die Annahme einer Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall nahelegt.

Denn nach neuerer arbeitsmedizinischer Auffassung gilt folgendes etwa, Rechtsstreit – L 3 U 227/06 – Hess. LSG, Gutachten Prof. Dr. W.:

„Aus arbeits- und sozialmedizinischer Sicht stellt selbst eine Bk-rechtlich versicherte Teilursache von ggf. 12,3 Asbestfaserjahren insoweit keine Gelegenheitsursache, sondern eine wesentlich, nämlich annähernd multiplikativ mitwirkende Teilursache dar.“

Hier müssen Berufsgenossenschaften und Sozialgerichtsbarkeit umdenken, um nicht weiterhin der indizierten Entschädigung einschlägiger Fälle von Asbestkrebs im Wege zu stehen.

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Divergenz des Berufungsurteils

Divergenz des Berufungsurteils zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts;
hier: Wohnung der Ehefrau als Mittelpunkt der Lebensverhältnisse für eine Familienheimfahrt, auf deren Rückweg der Ehemann tödlich verunglückt, auf dem Weg zur Arbeit

§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG sieht die Zulassung der Revision vor, wenn das Urteil des Landessozialgerichts von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Dies soll so aber nicht gelten nach einem Beschluß des BSG – B 2 U 219/10 B, wo eingeschränkt wird:

Es genüge nicht, darauf hinzuweisen, daß das Landessozialgericht seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte.

Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründe die Zulassung der Revision wegen Divergenz.

Während also das Berufungsgericht tatsächlich von der Rechtsprechung des BSG im Einzelfall abweicht, braucht es die Zulassung der Revision durch das Bundessozialgericht deshalb nicht zu fürchten, wenn das Berufungsgericht die Sache rechtsbehelfssicher gestaltet, indem man zwar objektiv abweicht von der Rechtsprechung, dies aber nicht kenntlich macht.

Es fragt sich, ob das Bundessozialgericht soweit das Sozialgerichtsgesetz zurücknehmen kann oder darf, daß der Einzelfall gewissermaßen auf der Strecke bleibt und die Witwe um die Entschädigung der Berufsgenossenschaft gebracht ist, d.h. die Witwenrente = 40 % des Brutto-Jahresarbeitsverdienstes jährlich.

Was das Landessozialgericht NRW in neuerer Rechtsprechung nicht gelten lassen wollte, ist das Urteil des BSG Band 2, Seite 78:

„Danach ist der Versicherungsschutz der Familienheimfahrt für Wege von und nach der Wohnung, die ständig, d.h. für längere Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet, Familienwohnung, auch gegeben, wenn die ursprünglich am Ort der Arbeitsstätte vorhandene Familienwohnung später nach auswärts verlegt worden ist.“

Im Fall des BSG-Urteils von 1955 war der Kläger zur Zeit des streitigen Unfalls vom 05.01.1952 in einem Friseurgeschäft in München-Pasing tätig. Er besaß eine Mietwohnung in München-Allach und war dort mit seiner Ehefrau persönlich gemeldet. Seine Ehefrau wohnte jedoch zur Zeit des Unfalls bei der verheirateten Tochter der Eheleute in Oberhaching, um der Tochter, die dort ein damals noch im Aufbau befindliches Textilgeschäft betrieb, bei der Betreuung eines Kleinkindes und der Führung des Haushaltes und des Geschäfts zu helfen. Der Kläger selbst benutzte nur an Wochentagen die Wohnung in München-Allach, die Sonntage verbrachte er regelmäßig bei seiner Ehefrau im Haus der Tochter und begab sich von dort Montags wieder zu seiner Arbeitsstätte in München-Pasing.

Vorliegend verhielt sich der Fall so, daß der Ehemann in Hannover wohnte, aber am Wochenende seine Frau in Aachen besuchte, die dort eine Wohnung hatte, um ihrem Sohn in einem Geschäft beizustehen und dort mitzuarbeiten.

Auf der Rückfahrt von Aachen verunglückte der Ehemann der Klägerin tödlich, und zwar, als er im Dunkeln auf der Autobahn einem stehengebliebenen Pkw, die Fahrerin war noch im Auto, auswich und infolge dessen vor die Leitplanke prallte.

Der Versicherte rettete damit der Pkw-Fahrerin in deren unbeleuchtetem Fahrzeug auf der linken Spur das Leben, als er dieser bzw. dem Pkw, der liegengeblieben war, auswich.

In dem Rechtsstreit darum mochten die beteiligten Sozialgerichte und auch das Bundessozialgericht den Versicherungsschutz weder für ein versichertes Ausweichmanöver erkennen, noch den Versicherungsschutz der Familienheimfahrt und überdies auch nicht den Versicherungsschutz der Rückfahrt von einer Geschäftsreise.

Obzwar der Fall versicherungsrechtlich dreifach abgesichert war, als Familienheimfahrt, als Rückreise von einer Dienstfahrt, als Ausweichmanöver, gelang es der Witwe bislang nicht, die Entschädigungsansprüche gegen Berufsgenossenschaft und Unfallversicherungsträger für das Ausweichmanöver durchzusetzen.

Mit einer Auslegung nach § 2 Abs. 2 SGB I hat die Rechtsprechung wenig zu tun, nämlich auszulegen in dem Sinne, daß die sozialen Rechte der Anspruchsteller möglichst weitgehend verwirklicht werden bei Auslegung des Sozialgesetzbuches, hier des Sozialgesetzbuches VII.

Dem objektiv erfolgreichen Ausweichmanöver, was das Leben der anderen Verkehrsteilnehmerin anbetraf, die den Unfall verursacht hatte, sprachen Sozialgericht, Landessozialgericht, Bundessozialgericht letzteres in einem obiter dictum den Charakter der Rettungshandlung ab, weil es sich angeblich nur um einen Reflex der Eigenrettung gehandelt hätte.

Das Gegenteil ist richtig.

Im übrigen gilt mit Gesetzeskraft die sog. Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommen ausreichend ist.

Es wird Bezug genommen auf BSG in NJW 1964, 2222, wo die Rede ist von eben dieser Kausalitätsnorm und der Hinweis gegeben wird, daß selbst eine verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung beruflicher Art, hier versicherungsrechtlicher Art, sehr wohl wesentlich sein kann.

Der Rettungsreflex ergibt sich bereits im Straßenverkehr, wenn ein Kaninchen die Straße quert und der Autofahrer ausweicht und dabei vor einen Baum fährt.

Erst recht greift aber der Rettungsreflex, also die Rettungshandlung dann, wenn einem liegengebliebenen Pkw ausgewichen wird auf der Autobahn, wobei dann die Besonderheit noch ist, daß die Fahrerin zum Zeitpunkt des Ausweichmanövers des versicherten Ingenieurs im Pkw befindlich ist.

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Pangonarthrose dritten Grades

Pangonarthrose dritten Grades eines Generatormonteurs im Innen- und Außeneinsatz, belastende Tätigkeit von 1950 bis 1969

Zwar stellte die Gutachterin in dem Berufskrankheitsfall, welcher das Sozialgericht Duisburg ‑ S 26 U 294/10 – beschäftigte, und zwar eine Ärztin für Orthopädie Dr. W., folgendes fest:

„Es bestehe im Bereich beider Kniegelenke eine Arthrose dritten Grades, wobei davon ausgegangen werden könne, daß der Beginn dieser Erkrankung auf das Jahr 1989 festzustellen sei.“

Die in den Jahren 1950 bis 1969 gegebene berufliche Belastung möge als kniegelenksbelastend angesehen werden.

Der beruflichen Tätigkeit komme die Bedeutung einer rechtlich wesentlichen Teilursache zu.

Dies würde nach der Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung, die zu Gewohnheitsrecht erstarkt ist, vollkommen ausreichen, den Versicherungsschutz zu begründen.

Denn die Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall kennt keine besondere Stundenzahl, wie diese dann später in der Liste – Berufskrankheit 2112 – aufgeführt ist.

Insofern müßte auch eine Belastung von 3.600 Kniebelastungsstunden ausreichen.

Ohne eigene medizinische Sachkunde stellte der Vorderrichter die Zusammenhangsfrage in Zweifel.

Ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang der in den Jahren 1950 bis 1969 verrichteten kniegelenksbelastenden Montagetätigkeiten zu dem nunmehr bestehenden drittgradigen Verschleißleiden der Kniegelenke scheine hier nicht schlüssig.

Mithin wird ein wesentlicher Faktor der Berufskrankheit ausgeblendet, nämlich die Kausalität, um dann die Klage abweisen zu können.

Dies ist mit den Denkgesetzen nicht zu vereinbaren und ebensowenig mit der Kausalitätsnorm – wie bezeichnet.

Nach den Daten des Falles ist hier Anspruchsgrundlage § 551 Abs. 2 RVO, Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall, welche im übrigen der Berufskrankheitenliste vorgeht, und zwar als Gesetz im formellen Sinne.

Gegenwärtig ist die Entschädigungspraxis der Berufsgenossenschaften weder mit der Kausalitätsnorm in Einklang zu bringen noch mit den Denkgesetzen, wenn hier 19 Jahre beruflicher Belastung ausgeklammert werden für den Schaden.

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Pleuramesotheliom eines Maurers

Pleuramesotheliom eines Maurers, Familienvater mit vier Kindern – Todeseintritt 23.03.1986

Unserer Kanzlei wurde 2008 der Ablehnungsbescheid vom 06.11.1987 vorgelegt, und zwar vom Sohn des Erkrankten, welcher bereits nach seinem Inhalt ergab, daß die Berufsgenossenschaft entschädigungspflichtig sein mußte.

Denn es stand die Diagnose eines Pleuramesothelioms fest und die Berufsgenossenschaft mochte ausdrücklich eine Einwirkung von asbesthaltigen Mischstäuben nicht ausschließen.

Daß gleichwohl eine Ablehnung gegenüber der Witwe erfolgte, was die Gewährung von Witwenrente und Sterbegeld anbetrifft, war bereits nach dem Bescheid vom 06.11.1987 nicht nachvollziehbar.

Urheber dessen war die Bau-Berufsgenossenschaft Hannover.

Es kostete einige Mühe, die Witwe davon zu überzeugen, hier einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X und Antrag auf rechtsbehelfsfähigen Zugunstenbescheid zu stellen.

Bei näherem Hinsehen ergab sich dann, daß gegenüber den vier Waisen überhaupt keinerlei rechtsbehelfsfähiger Bescheid damals erteilt wurde, so daß deren Feststellungsverfahren bis zum Jahr 2008 offengeblieben waren.

Insofern konnte diesseitiger Auffassung nach auch keine Verjährung eingetreten sein, welche die Berufsgenossenschaft dann behauptete, als man schließlich das Pleuramesotheliom aufgrund unseres Antrages anerkennen mußte.

Nachdem auch hinsichtlich der Lebzeitenleistungen kein rechtsbehelfsfähiger Bescheid ergangen war, etwa an die Sonderrechtsnachfolgerin unter Hinweis darauf, was die Sonderrechtsnachfolge anbetrifft, stehen auch diese noch offen.

Der Fall war zu Lebzeiten des Familienvaters gemeldet worden.

Im Streit ist also nunmehr, ob die Waisenrenten vor dem 01.01.2004 verjährt sind und nicht mehr zu zahlen, oder ob das Feststellungsverfahren insofern offengeblieben war bis in die jüngste Zeit.

Die Akteneinsicht ergibt gelegentlich, daß ein Teil der Verfahren des betreffenden Falles offengeblieben ist, so daß die Nachzahlungen der Berufsgenossenschaft weit zurückreichen können, wenn man dies durchsetzt.

Abgesehen davon sind dann die Leistungen auch zu verzinsen, ein nicht unerheblicher Punkt.

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