Selbstbestimmungsrecht

Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedsunternehmen im Beitragsverfahren der Berufsgenossenschaft, was den Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung und Antrag auf rechtsbehelfsfähigen Bescheid dazu anbetrifft.

Bei der Frage der Überprüfung nach § 44 SGB X, ob denn das betreffende Mitgliedsunternehmen nicht als Versicherungsunternehmen zu behandeln sei mit der Gefahrklasse 0,41, statt mit der höheren Gefahrklasse, hatte das Mitgliedsunternehmen unter dem 10.04.2017 wie folgt Antrag gestellt:

„Nachdem ein unzutreffender Widerspruchsbescheid ergangen ist, wird hiermit

Überprüfungsantrag gestellt zur Berufsgenossenschaft und Antrag auf rechtsbehelfsfähigen Bescheid dazu, und zwar deshalb, um festzustellen, dass es sich bei dem Mitgliedsunternehmen um ein Versicherungsunternehmen handelt mit der Gefahrklasse 0,41.“

In Erwiderung des an die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft gerichteten Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X wandte sich die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft an das Sozialgericht Hamburg mit dem Bemerken:

„Deutet die Beklagte den Antrag auf Überprüfung der Gefahrklasse vom 10.04.2017, eingegangen am 13.04.2017 (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X) um und bewertet diesen als Klage.“

Das Mitgliedsunternehmen musste nun Stellung nehmen gegenüber dem Sozialgericht Hamburg, was dann auch geschah, nämlich, dass die Beklagte nicht ernsthaft einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X der kostenfrei ist, in eine Klage umdeuten kann, die kostenpflichtig ist.

Außerdem kann im Klageverfahren keine Sitzung der Widerspruchsstelle stattfinden, welche nicht nur die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu prüfen hat, sondern auch deren Zweckmäßigkeit.

Gewissermaßen mit Gewalt legt es die Berufsgenossenschaft darauf an, das Mitgliedsunternehmen vor Gericht zu bringen, in ein kostenpflichtiges Verfahren, wo in Wahrheit die Berufsgenossenschaft die treibende Kraft ist gewissermaßen, die gefakte „Klägerin“.

Die Frage des Verfassers geht dahin, ob es empfehlenswert sein kann, in die Klage bereits dann zu gehen, wenn die Widerspruchsstelle immer noch nicht dem Mitgliedsunternehmen Gehör vor der Widerspruchsstellensitzung gewährt.

Die Widerspruchsstelle der Berufsgenossenschaft hat weitergehende Kompetenzen, nämlich die Zweckmäßigkeitsprüfung vorzunehmen, also über die bloße Rechtmäßigkeitsprüfung hinaus, § 78 I 1 Sozialgerichtsgesetz.

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„Obergutachten“ der beratenden Ärzte

„Obergutachten“ der beratenden Ärzte der Berufsgenossenschaften in den Sozialgerichtsprozessen

Unmerklich ist es den Berufsgenossenschaften offenbar inzwischen gelungen, mit ihren beratenden Ärzten die Sozialgerichtsprozesse zu beherrschen.

Es sei aus einem Prozeß zitiert.

„der 1960 geborene Kläger begehrte mit seiner am 18.10.2004 beim Sozialgericht Speyer erhobenen Klage – S 15 U 2320/04 – die Gewährung von Verletztengeld über den 31.12.1998 hinaus und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 % im Anschluß an das Verletztengeld. In seinem vom Sozialgericht Speyer in Auftrag gegebenen Gutachten vom 17.08.2005 bestätigte der Sachverständige, Prof. Dr. Ha., eine unfallbedingte MdE in dieser Höhe. Es folgte eine „beratungsärztliche nervenärztliche Stellungnahme des Dr. Schi. vom 27.09.2005, in der den Ausführungen des Sachverständigen zu den Unfallfolgen nicht zugestimmt wurde.“

Den Antrag des Klägers vom 25.10.2005, die beratungsärztliche Stellungnahme wegen eines Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 SGB VII aus den Akten zu entfernen, hat das Sozialgericht Speyer mit Beschluß vom 13.12.2005 zurückgewiesen.

Es folgte eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. Ha. vom 22.11.2005, der an seiner bisherigen Bewertung der Unfallfolgen und MdE-Einschätzung festhielt.

Mit Urteil vom 27.07.2006 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte zwar zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 %.

Die Beklagte holte zu vorgenanntem Urteil aber eine beratende fachärztliche Stellungnahme bei dem Chirurgen Dr. Ho. vom 27.08.2006 ein, der zur Einschätzung gelangte, daß der abgegebenen Kausalitätsbeurteilung und MdE-Einschätzung nicht gefolgt werden könne.

Die Beklagte legte daraufhin Berufung beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz unter dem Aktenzeichen – L 2 U 209/06 – ein.

Im weiteren Verlauf holte die Beklagte offenbar noch weitere fachärztliche beratende Stellungnahmen ein.

Dieses ist nicht etwa ein Einzelfall, sondern der Regelfall.

Auf diese Art und Weise gewinnen die Berufsgenossenschaften ansonsten die Oberhoheit über die gerichtlich eingeholten Gutachten, weil diese von den beratenden Ärzten gewissermaßen zerpflückt werden und gewissermaßen auch zerpflückt werden sollen.

Den berufsgenossenschaftlich gesäten Zweifeln halten die Sozialgerichte nicht stand, etwa unter Bezugnahme auf die gerichtlich eingeholten Gutachten.

Vielmehr werden die Anforderungen erweitert, nunmehr die beratungsärztlichen Stellungnahmen zu entkräften, welche eigentlich nur ein Ziel verfolgen, nämlich den Prozeßerfolg der Berufsgenossenschaft zu gewährleisten, während der Rechtsuchende am Ende leer ausgeht.

Nachdem das Bundessozialgericht die beratenden Ärzte von einer Anwendung des § 200 Abs. 2 SGB VII ausgenommen hat gewissermaßen, diese wären nicht dritte, jedenfalls dann nicht, wenn sie entsprechend vertraglich gebunden sind, haben die Berufsgenossenschaften die Beraterarztverträge gewissermaßen aus dem Boden gestampft.

Nunmehr ist kein Rechtstreit mehr gefeit davor, daß die Berufsgenossenschaften mit ihren beratenden Ärzten dazwischen fahren.

Der Mißstand ist gewaltig, bedenkt man, daß die beratenden Ärzte nahezu ausnahmslos negative Stellungnahmen abgeben und nicht etwa abwägende Stellungnahmen.

Leidet etwa der Fliesenleger an einer primären Meniskopathie, sät der beratenden Arzt den Zweifel, ob es sich nicht um eine sekundäre Meniskopathie handelt, als ob es nicht die Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung in dem Sinne gäbe, daß wesentliche Mitursächlichkeit der Berufsarbeit vollkommen ausreichend ist für den Versicherungsschutz hier für die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2102, Meniskuserkrankung.

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