Kein Ausfall der Lebzeitenleistungen

Kein Ausfall der Lebzeitenleistungen bei posthumer Anmeldung des Pleuramesothelioms, Berufskrankheit-Nr. 4105, wenn der verspätet anzeigende Arzt bereits früher, d.h. zu Lebzeiten des Versicherten den Verdacht auf eine Berufskrankheit hatte

Wir nehmen Bezug an dieser Stelle auf den Pressevorbericht des Bundessozialgerichts zum Aktenzeichen – B 2 U 3/09 R – wieder, L. ./. Holz-BG.

Das angesprochene Grundsatzurteil, 8. Senat BSG vom 08.10.1998 – B 8 KN 1/97 UR – erging in einem Fall, den unsere Kanzlei vertreten hat, wo also die verspätete Meldung des Pleuramesothelioms keinen Leistungsausschluß nach sich zog, was die Lebzeitenleistungen anbetraf.

Knapp 12 Jahre später vertraten wir dann den Fall – B 2 U 3/09 R -, in welchem die Besonderheit auffiel, daß der ärztliche Leiter des Mesotheliom-Registers der Berufsgenossenschaften noch in keinem Fall selbst eine ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit im Falle der Berufskrankheit-Nr. 4105 erstattet hat, obwohl der Verdacht auf eine Berufskrankheit-Nr. 4105 in jedem Fall eines Mesothelioms gegeben ist und der leitende Arzt des berufsgenossenschaftlichen Mesotheliom-Registers den Mesotheliomen quasi am nächsten steht.

Diese Besonderheit erstaunte auch das höchste Gericht, d.h. das Bundessozialgericht.

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Zweierlei Maß

Zweierlei Maß bei Behandlung des anwaltlichen Verlegungsantrages wegen Urlaubsabwesenheit

Im September 2009 hatten die Anwälte durch den Erwerb von Flugtickets einen Urlaub für die zweite Hälfte April 2010 insbesondere gebucht.

Am 04.03.2010 erreichen uns zwei Ladungen des Sozialgerichts Düsseldorf – S 29 SB 93/08 – die eine Ladung für den 26.04.2010.

Den umgehend gestellten Verlegungsantrag unter Hinweis auf den Urlaub der Anwälte weist das Sozialgericht Düsseldorf schließlich zurück.

Im übrigen macht das Gericht ausdrücklich darauf aufmerksam, daß das persönliche Erscheinen des Klägers zum jeweiligen Termin angeordnet ist.

Dies provoziert schon einigermaßen.

Denn nunmehr wird der jeweilige Kläger gezwungen, ohne den Anwalt seiner Wahl, vor Gericht erscheinen zu müssen.

Dem Gericht wird daraufhin mitgeteilt:

„Auf BSG – B 13 R 303/07 B – wird ausdrücklich hingewiesen, auf welche Vorschrift die Anwälte der Landessozialgerichtspräsident ausdrücklich aufmerksam gemacht hat, was die Tatsache kurzfristiger Ladungen anbetrifft“.

Das Bundessozialgericht sagt auf Seite 4 des ausgedruckten Urteils folgendes:

„Einem Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör aber auch versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl er gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 ZPO einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat. Das Gericht ist in einem solchen Fall verpflichtet, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen.“

In einer der beiden zitierten Sachen war zuvor ein Termin aufgehoben worden, weil der Vorsitzende Richter erkrankt war.

Hier wurde gerichtlich kein Vertretungszwang geltend gemacht, etwa durch einen anderen Richter, obwohl das Sozialgericht Düsseldorf über eine ganze Anzahl Richter verfügt.

Jedenfalls konnte der Anwalt sogar damit rechnen, und zwar bei Urlaubsantritt, daß in die Zeit seines Urlaubs hinein geladen wird von den Gerichten, ohne, daß die Notwendigkeit gesehen wird, etwa eine Verlegung vorzunehmen, wenn der Anwalt den erheblichen Grund des Urlaubs einwendet.

So muß man dann schließlich als Anwalt vom Urlaubsort aus sich während der Urlaubszeit mit dem Gericht wegen der Terminsverlegung auseinandersetzen.

Die Grenze des zumutbaren wird deutlich überschritten.

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Obduktion bei Berufskrankheiten

„Strengbeweis“ in Form der Obduktion bei Berufskrankheiten;
hier: Was aber, wenn der Berufserkrankte noch lebt?

Die Berufsgenossenschaften und dem folgend die Sozialgerichtsbarkeit fordern im Berufskrankheitsfall etwa, daß die Erkrankung mit Gewißheit, d.h. im sog. „Strengbeweis“ erwiesen sein muß.

Was bedeutet dies für den noch lebenden asbestkrebskranken Versicherten?

In einem Fall eines Asbestzementherstellers bedeutete dies, daß zu Lebzeiten keine Entscheidung getroffen worden ist hinsichtlich der Feststellung einer Berufskrankheit Nr. 4104, Asbestlungenkrebs in Verbindung mit einer Asbestose von Lunge oder Pleura.

Statt dessen wurde die Gemeindeverwaltung angeschrieben und gebeten, mitzuteilen, wenn der Betroffene verstorben ist.

Dann wollte man eine Obduktion durchführen.

Je nach Beweisgrad ergibt sich die Möglichkeit, zu Lebzeiten Feststellungen zu treffen oder aber auch nicht.

Geht man nach § 202 Sozialgerichtsgesetz, § 287 I ZPO, reicht für die Feststellung, ob ein Schaden, d.h. hier eine Berufskrankheit entstanden ist, die freie richterliche Überzeugungsbildung.

Wörtlich heißt es in § 287 ZPO analog:

„Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung.“

Gemessen an der IAO-Liste lag nach 20jähriger Asbestbelastung des Erkrankten ein Asbestlungenkrebs nahe, gleich ob dieser mit einer Asbestose vergesellschaftet war oder nicht oder etwa mit den später hinzugekommenen 25 Asbestfaserjahren.

Man hätte also zu Lebzeiten den Fall entschädigen können und müssen, erst recht deshalb, weil es sich um einen Familienvater handelte, verheiratet, 7 Kinder.

Als nun die abgewartete Obduktion durchgeführt wurde, übersah der Pathologe die Brückenbefunde einer Minimalasbestose der Lunge oder Pleura.

Nachdem eine Arbeitgeberhaftung hilfsweise angegangen wurde anwaltlich, löste sich allerdings der Fall von da auf, und zwar in der Art und Weise, daß die Berufsgenossenschaft nun doch anerkannte.

Dem Pathologen, welcher die Brückenbefunde nicht gesehen hatte, wurde eine Fehleinschätzung nachgesagt.

Die Frage stellt sich nach wie vor, und zwar in den einschlägigen Berufskrebsfällen, ob man nun den Strengbeweis und die Obduktion fordert, obzwar der Versicherte noch lebt, oder aber einen Beweisgrad gem. § 287 Abs. 1 ZPO gelten läßt.

In letzterem Fall kann zu Lebzeiten anerkannt und entschädigt werden, mit dem Restrisiko, daß sich vielleicht der Fall bei Obduktion doch anders darstellt.

U.E. kann die Berufsgenossenschaft und muß die Berufsgenossenschaft mit diesem Restrisiko leben, eben weil § 202 SGG verbindlich ist, indem auf die ZPO analog verwiesen wird.

In die Falle des Pathologen laufen die Versicherten, ob nun Asbestosefälle oder Silikosekranke, weil als letzter Beweis berufsgenossenschaftlich der pathologische Beweis angestrebt wird.

Dieserhalb ist in der künftigen Entschädigungspraxis das Schlimmste zu erwarten.

Dabei ist die pathologische Beweiserhebung in Form der Obduktion sehr oft irreführend, eben weil durch Umbauvorgänge eine Minimalasbestose etwa längst ausgewaschen sein kann oder durch das Fahrerfluchtphänomen der Weißasbest in Fortfall gekommen ist.

Im Falle des Familienvaters mit Kindern bedeutete das Zuwarten der Berufsgenossenschaft, daß dieser verstarb, ohne seine Familie versorgt zu wissen, etwa durch berufsgenossenschaftliche Leistungen, die 80 % des Bruttojahresarbeitsverdienstes ausmachten, als diese nun später festgestellt werden mußten.

Die Verwaltungsberufsgenossenschaft ließ es sich in einem vergleichbaren Fall angelegen sein, den noch lebenden asbestkrebskranken Versicherten mit der Formularfrage zu kontaktieren, ob dieser nun seiner Obduktion künftig zustimmen würde, damit die Berufsgenossenschaft ihre Feststellungen treffen könne.

Aber auch in diesem Fall konnte unsere Kanzlei helfen, ohne daß der Versicherte auch nur obduziert wurde, selbst dann nicht, als er verstarb.

Was der oben zitierte „Strengbeweis“ im Sozialrecht zu suchen hat, erschließt sich nach diesen Erfahrungen erst recht nicht.

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Gerichtliches Aktenzeichen

Reicht es aus, wenn im Berufungsverfahren das Aktenzeichen vom Gericht vergeben wird, d.h. hier vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, welches dann nur abgeändert wird, ohne daß das Gericht in eine Sachbearbeitung einsteigt und statt dessen nur Ausschlußfristen setzt, gem. § 106 a SGG und gem. § 109 SGG.

In dem Rechtsstreit L 4 (15) U 197/09 geht das Berufungsgericht den Beweisanträgen nicht nach, obwohl das Gutachten des Mesotheliomregisters, einer berufsgenossenschaftlichen Einrichtung unter Verletzung von § 200 Abs. 2 SGB VII berufsgenossenschaftlich eingeholt worden war.

Im Streit steht, ob die berufliche Asbestbelastung den Lungenkrebs des Versicherten hervorgerufen hat, wobei die Asbestbelastung über lange Jahre währte.

Der Befund der Lungenstaubanalyse von 20 bis 30 Asbestkörpern pro Kubikzentimeter Lungengewebe soll angeblich nicht ausreichend sein.

Im Berufungsverfahren verteidigt das Berufungsgericht gewissermaßen die Parteiergebnisse, nämlich das Expositionsgutachten des eigenen Technischen Aufsichtsbeamten der Berufsgenossenschaft sowie das Gutachten des Mesotheliomregisters von Prof. Tannapfel, ohne etwa die Betriebsakten beizuziehen, welche der Technische Aufsichtsdienst über das Mitgliedsunternehmen führt, wo der Versicherte lange Jahre asbestbelastet war.

Bei den arbeitsmedizinischen Untersuchungen war der Versicherte wegen Flecken auf der Lunge auffällig geworden.

Der Versicherte selbst schrieb an die Berufsgenossenschaft, daß er 22 Jahre im staubgefährdeten Betrieb tätig gewesen war.

Daß man seine Lungenasbestose bestreitet, erscheint der geschädigten Familie nicht mehr als nachvollziehbar.

Daß eine Bystanderexposition etwa nur mit 1/10 berechnet wird, geht deutlich an dem Charakter einer Asbestexposition und am Charakter der Asbestschwebestäube vorbei.

In erster Instanz war das Sozialgericht Gelsenkirchen S 13 U 161/08 der Auffassung, daß die Bewertungen der Berufsgenossenschaft als eher großzügig zu bewerten seien, obwohl die massiven Belastungen in der berufsgenossenschaftlichen Ermittlung nicht eben selten massiv bagatellisiert werden.

Artikel 6 der Menschenrechtskonvention sieht ein faires Gerichtsverfahren vor, auch also im Sozialgerichtsprozeß.

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Recht des Rechtsuchenden

Recht des Rechtsuchenden, im Sozialgerichtsprozeß einen Gutachter bezeichnen zu dürfen,
§ 109 SGG;
hier: Gesetzliche Unfall- und Berufskrankheitenversicherung

Zum besseren Verständnis sei § 109 SGG wörtlich zitiert mit Stichwort, Anhörung eines bestimmten Arztes:

„Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen, muß ein bestimmter Arzt gutachterlich gehört werden.“

Bei diesem Zitat handelt es sich um den Grundsatz dieses Rechtes, wo also keine Rede davon ist, daß dieses auf Kosten des Versicherten zu geschehen hätte.

Satz 2 von § 109 Abs. I SGG enthält dann die Ausnahme:

„Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Geschichte des Gerichts endgültig trägt.“

Dieses Regel-/ Ausnahmeverhältnis ist im Sozialgerichtsprozeß umgekehrt worden.

Nahezu ausnahmslos werden Gutachterkostenvorschüsse vom Rechtsuchenden eingefordert, wenn dieser einen bestimmten Arzt bezeichnet bzw. gehört wissen will.

Damit ist für einen Rechtsuchenden bzw. Kläger, welcher über keine Rechtsschutzversicherung verfügt, die Vorschrift des § 109 SGG vollkommen ausgehöhlt.

Vorsicht bei der Bezeichnung des 109er Gutachters als Gutachter des Vertrauens.

Im Gesetz ist nicht die Rede von einem Vertrauensverhältnis.

Im übrigen ist anzumerken, daß die besseren Gutachter sämtlich etwa von den Berufsgenossenschaften in Beschlag genommen sind und deren Einfluß unterliegen.

Es fällt von daher schwer, einen unabhängigen Gutachter zu finden, der sich der berufgenossenschaftlichen Einflußnahme entzieht.

Das Recht nach § 109 SGG gehört ausgebaut zu werden, nicht aber gestrichen zu werden, worauf anderweitig abgezielt wird.

Sichergestellt werden muß, daß der Grundsatz beachtet wird, keinen Kostenvorschuß zu erheben im Regelfall, was auch die Rechtsschutzversicherung entlasten würde.

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