Bandscheibengeschädigte Krankenschwester

Verstoß gegen die Denkgesetze im Falle einer bandscheibengeschädigten Krankenschwester bei einer Lebensarbeitsdosis von 127 % = Dosis nach dem MDD-Modell in Höhe von 21,65 Nh.

Im folgenden Fall urteilte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – L 17 U 234/09 – gegen die Berufskrankheit der Krankenschwester, die von 1977 bis Juni 2006 als Krankenschwester lendenwirbelsäulengefährdet tätig war.

Bei einer CT-Untersuchung der unteren Lendenwirbelsäule am 06.07.2006 zeigte sich ein Bandscheibenvorfall L5/S1 und eine schwere Osteochondrose L4/L5.

Während nun alles für das Vorliegen der Berufskrankheit 2108 sprach, die arbeitstechnischen Voraussetzungen waren gegeben und ein schwerer Lendenwirbelsäulenschaden im Sinne eines Bandscheibenschadens lag vor, wußten es die Gutachter und damit dann auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen besser, und zwar anhand der sog. Konsensusempfehlungen.

Diese Konsensusempfehlungen sind herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und von daher ein typisches Parteigutachten antizipierter Art.

Die schwere Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule soll dann nicht entschädigt werden, weil gleichzeitig an der „belastungsfernen – HWS“ (Halswirbelsäule) ebenfalls ein Bandscheibenschaden zu verzeichnen ist.

Deutlicher kann man die Denkgesetze nicht verletzen, wenn man aufgrund eines weiteren Schadens den Erstschaden ausschließt, gleich, ob es sich um dasselbe Organ handelt oder nicht.

Überdeutlich verletzt wird überdies auch die sog. Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung und Berufskrankheitenversicherung, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommen ausreichend ist.

Statt dessen pflegt der 17. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen hier einen monokausalen Ansatz bzw. die monokausale Anforderung der Ursächlichkeit der beruflichen Bedingungen.

Demgegenüber muß auf BSG in NJW 1964, 2222 Bezug genommen werden, wo die Rede ist von eben dieser Kausalitätsnorm und der Hinweis gegeben wird, daß selbst eine verhältnismäßig niedriger zu werdende Bedingung beruflicher Art sehr wohl wesentlich sein kann.

Wie eine solche Ursächlichkeit bzw. Mitursächlichkeit ausgeschlossen werden kann im vorliegenden Fall, erschließt sich nicht.

Vielmehr wird auch die praktische Lebenserfahrung verletzt, kraft derer zu folgern wäre, daß eine typische Belastung einer Krankenschwester auch ein entsprechendes Schadensbild generiert, was die Lendenwirbelsäule anbetrifft.

Alle wesentlichen Entscheidungen, also auch die Umschreibung etwa der Berufskrankheit Nr. 2108 sind dem Gesetzgeber, hier dem Verordnungsgeber vorbehalten und nicht etwa dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften oder dem Spitzenverband der gesetzlichen Unfallversicherung, welche als Herausgeber von Beweisregeln firmieren, die mit den Denkgesetzen nicht in Einklang zu bringen sind.

Der Berufsrichter eines anderen Berufungsgerichtes äußerte sich dahingehend, daß es im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit den Begriff des Parteigutachtens nicht gäbe.

Da fragt es sich, was denn die Rechtsuchenden tagtäglich in den Berufskrankheitsfällen erleben.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

WeiterlesenBandscheibengeschädigte Krankenschwester

Verletztenrente aufgrund einer beruflichen Lärmschwerhörigkeit

Bei einem ehemaligen Fliesenleger steht im Streit, ob die berufliche Lärmschwerhörigkeit mit einer höheren Verletztenrente als einer solchen nach einer MdE von 10 % zu gewähren ist und ab einem früheren Zeitpunkt, und zwar bei Stützsituation.

Der Gerichtsgutachter errechnete einen Hörverlust von 40 % aus dem Sprachaudiogramm, welches maßgeblich ist.

Gleichwohl hielt der Gerichtsgutachter an einer MdE von 10 % fest.

Dagegen ist zu setzen, daß bei einem Hörverlust von 40 % eine MdE von 20 % resultiert und bei einem 20 %tigen Hörverlust eine solche MdE von 10 %.

Kommen störende Ohrgeräusche hinzu, die beim Einschlafen stören, ist ein MdE-Zuschlag bei der Gesamt-MdE-Bildung zu berücksichtigen.

Die Gesamt-MdE darf allerdings nicht „integrierend“ gebildet werden, sondern nach der üblichen Regel, ob eine wechselseitige Verstärkung stattfindet, und zwar zwischen Hörverlusten beruflicher Art und Ohrgeräusch.

In einem solchen Fall sind die Einzelgrade jeweils anzuheben und sodann die Gesamt-MdE zu bilden.

Es ist zu berücksichtigen, daß die Ohrgeräusche die Hörverluste verstärken können.

Mithin kann im angesprochenen Fall sehr wohl eine MdE von 25 % bzw. 30 % als Gesamt-MdE resultieren.

Durch einen Fehler des Gerichtsgutachters bekommt der Kläger gewissermaßen die MdE halbiert.

Während ihm zutreffender Ansicht nach mindestens 20 % allein für die Hörverluste aus dem Sprachaudiogramm zustehen.

Wäre gleichzeitig der Tieftonbereich betroffen, so kann dies durch die Lärmspitzen verursacht sein, so daß ein Abschlag zu Lasten der MdE insofern nicht stattfinden darf.

Im übrigen ist der Berufskrankheitsfolgezustand nicht teilbar.

In der Entschädigungspraxis zeigt sich eine Entwicklung, daß eine MdE von 20 % so gut wie gar nicht mehr erreicht wird bzw. nur unter erschwerten Voraussetzungen.

Merkblätter, welche die Berufsgenossenschaften anwenden, sind auch von den Berufsgenossenschaften herausgegeben, was ihren Charakter als antizipierte Parteigutachten belegt.

Also größte Vorsicht dabei, d.h. bei deren Anwendung.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

WeiterlesenVerletztenrente aufgrund einer beruflichen Lärmschwerhörigkeit

Blasenkrebs des Straßenbauers

Blasenkrebs des Straßenbauers nach 40 Jahren Teerbelastung

In einem solchen Fall gibt allein das Parteigutachten des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufsgenossenschaft im Gerichtsverfahren den Ausschlag, nach bisheriger Praxis, wenn dieser die stattgehabte Exposition als „äußerst geringfügig“ hinstellt.

Der berufliche Umgang bestand mit Heißteer, Altlasten, Erhitzen der Teernähte.

Gleichwohl holt ein Sozialgericht kein unabhängiges arbeitstechnischen Sachverständigengutachten ein, sondern läßt es mit den Parteigutachten der Berufsgenossenschaft sein Bewenden haben, arbeitstechnisch, obwohl der Technische Aufsichtsdienst als Teil der Prävention die Berufskrankheit hätte verhindern müssen und nunmehr in einem Widerspruch steht, das einräumen zu müssen, d.h. den Schaden, den man nicht abgewendet hat.

Ein Verstoß gegen Artikel 6 Menschenrechtskonvention, Grundsätze eines fairen Verfahrens im Sozialgerichtprozeß bei den Berufskrankheiten, ist nicht zu übersehen.

Empfehlung:

  • Hilfsbeweisantrag stellen auf ein unabhängiges arbeitstechnisches Sachverständigengutachten, auch hinsichtlich der Intensität der Belastung und darauf bestehen, daß die Betriebsakten des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufsgenossenschaft über das Mitgliedsunternehmen beigezogen werden, einschl. der Begehungsberichte des Technischen Aufsichtsbeamten.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

WeiterlesenBlasenkrebs des Straßenbauers