Asbest und Lungenkrebs

Lungenkrebs durch Asbest bei einem Schlosser, verstorben 25.12.2000;
Hier: Ansprüche der Witwe auf Witwenrente etwa

Der Ehemann und gelernte Schlosser arbeitete von 1968 bis 1973 bei einer Firma A. H., Solingen. Die Berufsgenossenschaft beschreibt die Tätigkeiten wie folgt: Es seien anfallende Wartungs- und Reparaturarbeiten an allen betrieblichen Anlagen und Maschinen durchgeführt sowie bei Bedarf Vorrichtungen gefertigt worden. Die Firma habe Stahlwerkzeuge hergestellt, Hauptabteilungen waren eine Senkschmiede und mechanische Fertigung.

Asbestkontakt bestand bei Reparaturen an Bremssystemen von Pressen mit Wechsel von Bremsbelägen ca. 3 bis 4 Tage pro Jahr.

Tragen von Asbesthandschuhen bei Arbeiten an Schmiedeöfen, ca. 1 Tag pro Monat.

Wechsel von Ofentürdichtungen aus Asbestschnur, ca. 2 bis 3 Tage pro Jahr.

Die Treibriemen von Fallhämmern hätten nie Asbest enthalten, führt die Berufsgenossenschaft aus.

Von 1973 bis Mai 1993 arbeitete der Ehemann und Schlosser bei der Firma A. F. in Solingen.

Als Motorenschlosser arbeitete der Versicherte in sog. Maschinenabteilung und hatte Motorenteile mechanisch zu bearbeiten, z. B. Zylinderköpfe plan zu schleifen.

Gelegentlich wurden von ihm auch alte zuvor gesäuberte Bremsscheiben und Bremstrommeln ausgedreht an ca. 20 Tagen pro Jahr. Bei der Demontage von Motoren, bei der er ab und zu aushilfsweise ausgesetzt war, ca. 5 Tage pro Jahr, mußte er alte, angebackene Zylinderkopfdichtungen asbesthaltig abschaben.

Die Berufsgenossenschaft errechnete 2,3 Asbestfaserjahre, siehe dazu die Berufskrankheiten-Nr. 4104.

Der Anteil der Asbestfasern, die bei der berufsgenossenschaftlichen Rechnung nicht mitgezählt werden, macht das 100- bis 200-fache aus.

Die Berufsgenossenschaft zählt Asbestfasern nur länger als 5 Mikrometer.

Zweifeln begegnet aber auch die Tatsache, daß hier Pleuraplaques, und zwar ausgedehnte Pleuraplaques, im Bereich der Pleuraparietalis, also dem Rippenfell, vorhanden waren.

Auch dies spricht gegen eine allein privat verursachte Lungenkrebserkrankung.

Der Rechtsstreit führte die Witwe im Zugunstenverfahren bis zum Bundessozialgericht, von dem aber dem Vernehmen nach zu hören war, daß man die Voraussetzungen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X zu verschärfen gedachte.

Mithin nahm die Witwe vorab Abstand von der Revision und suchte ihr Heil in einem erneuten Feststellungsverfahren nach § 44 SGB X, zu welchem ein rechtsbehelfsfähiger Bescheid dann bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall beantragt wurde.

Das Berufungsverfahren endete vorzeitig, um der Klägerin angedrohte Kosten nach § 192 SGG zu ersparen.

Obwohl hier Fragen wie etwa Schichtmittelwert und zugrunde liegende Faserzahl eine grundsätzliche Bedeutung ausmachten, trat man der Sache gerichtlich nicht näher.

Der Lungenkrebs konnte bereits eine Asbeststaublungenerkrankung im Sinne der Definition der Asbestose gemäß Berufskrankheiten-Nr. 4103 sein, eben weil ein Lungenkrebs nach beruflicher Asbesteinwirkung erheblicher Art eine Asbeststaublungenerkrankung darstellt.

Geholfen werden kann hier also durchaus durch die Berufsgenossenschaft über die Berufskrankheiten Nrn. 4103 und 4104.

Allerdings hatte die Witwe durch Androhung von sog. Mutwillenskosten den Mut verloren, ihre Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen weiter geltendzumachen.

Eine Rechtsschutzversicherung stand ihr nicht mehr zur Verfügung.

Die Witwe gab auf, obwohl eine Rauchgewohnheit privater Art und eine Asbestbelastung beruflicher Art einen multiplikativen Effekt auslösen, nach Hammond, amerikanischer Asbestforscher, der eine Steigerung des Lungenkrebsrisikos auf das 50-fache errechnet hat, wenn eine Belastung privater Art und beruflicher Asbesteinwirkung zusammentreffen.

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Rechtsstreit

Rechtsstreit zwischen Bergbau-Berufsgenossenschaft heute BG RCI und Bundesrepublik Deutschland, Bundesversicherungsamt, um die Bergarbeiteremphysemfälle, von denen viele bis heute noch eine Stichtagsproblematik aufweisen bzw. einen Stichtag als Leistungsausschluß entgegengehalten bekommen

In der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2003 beantragte unsere Kanzlei die Beiladung zweier geschädigter Bergleute zu diesem Rechtsstreit, weil diese davon unmittelbar berührt waren.

Dem Vernehmen nach hatte das Bundesversicherungamt per Aufsichtsverfügung die Berufsgenossenschaft angewiesen und aufgefordert, dahingehende Fälle von Bergarbeitern, die an einem Bergarbeiteremphysem leiden, zumindest im Wege des Schadenersatzes anzuerkennen wegen Amtspflichtverletzung.

Daß es bei der Aufsichtsverfügung des Bundesversicherungsamtes es genügt hätte, seitens des Bundesversicherungsamtes die Berufsgenossenschaft zur Beachtung von § 551 Abs. 2 RVO anzuhalten, Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall für die Zeit vor dem Stichtag, versuchte unsere Kanzlei anläßlich dieses Termines vergeblich zu vermitteln.

Die Beiladungsanträge der zwei geschädigten Bergleute wurden an diese Tag durch das Bundessozialgericht zurückgewiesen.

Genau so wurde schließlich die Revision der Bundesrepublik Deutshcland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt, durch das BSG zurückgewiesen, obwohl es offensichtlich ist, daß der Einwand des Stichtages gemäß Berufskranheitenverordnung, gegenüber dem Anspruch nach § 551 Abs. 2 RVO nicht zieht bzw. durchgreift.

Insofern liegen heute noch Tausende Entscheidungsfälle von Bergarbeiteremphysemkranken
offen, die als Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall angemeldet wurden und im Feststellungsverfahren bis heute nicht beschieden worden sind, aus diesem Gesichtspunkt, sondern eben nur aus dem Gesichtspunkt der Berufskrankheit Nr. 4111.

Die Entscheidung zu § 551 Abs. 2 RVO ist offenbar in den meisten dieser Fälle überfällig.

Ausgenommen sind vielleicht die nachgemeldeten 400 Fälle.

Die beiden Bergleute, die wir vertreten haben, deren Beiladung beim BSG wir zu erreichen suchten, sind zwischenzeitlich in Entschädigung bzw. deren Bergarbeiteremphysem jeweils.

Wäre das BSG dem Rechtstreit der Bergbau-Berufsgenossenschaft gegen die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesversicherungsamt auf den Grund gegangen, würde heute kein Bergmann beim Bergarbeiteremphysem leer ausgehen, während es so noch Tausende sind, die der Entschädigung harren.

Offen steht in den meisten Fällen also noch die Anwendung des § 551 Abs. 2 RVO, der Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall, wobei es genügt, daß die neuen Erkenntnisse heute vorliegen.

Diese mußten nicht etwa zum Zeitpunkt der Erkrankung vorhanden sein, obwohl auch damals entsprechende Erkenntnisse vorgelegen haben müssen.

In den Fällen der Bergleute ist zu fordern, daß die Berufsgenossenschaft systematisch die Berufskrankheiten-Nrn. 4101, 4301/4302, 4111, 4112 etc. prüft genau so wie die Einzelfallvorschrift der Berufskrankheit nach neuer Erkenntnis im Einzelfall für die Fälle aus der Vorzeit einer Listenerweiterung.

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Überhöhte Veranlagung

Überhöhte Veranlagung durch die Bau-Berufsgenossenschaft Hannover in Sachen eines Abbruch- und Recycling-Unternehmens

Im Verlauf des Rechtstreits um die Korrektur der Veranlagung des Unternehmens
– S 14 U 81/09 – ist das klagende Bauunternehmen insolvent geworden.

Dem Vernehmen nach hatte die Bau-Berufsgenossenschaft eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht ausgestellt, welche das Unternehmen für einen größeren öffentlichen Auftrag benötigte.

In eine bedrohliche Lage geriet das Unternehmen auch durch die Anhebung der Beiträge um 50 % in der Vergangenheit.

Zu allem Überfluß nahm die Bau-Berufsgenossenschaft eine Betriebsprüfung, die wievielte auch immer, vor gelegentlich derer festgestellt wurde, daß die Gefahrtarifstelle Erd- und Straßenbau, Nr. 300, Gefahrklasse 7,3 in Betracht kommt genauso wie die Tarifstelle 210 Be- und Verarbeiten von Natur- und Kunststein (Recycling).

Gleichwohl sieht sich die Beklagte Bau-Berufsgenossenschaft nicht verpflichtet, die Beiträge rückwirkend zu reduzieren, was beantragt ist.

Das Sozialgericht Braunschweig fragt nunmehr, ob der Insolvenzverwalter am Verfahren beteiligt wird?

Es ist nicht auszuschließen, daß ohne die Beitragsschwierigkeiten mit der Bau-Berufsgenossenschaft das Unternehmen überlebt hätte.

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Anhörung eines bestimmten Arztes

Anhörung eines bestimmten Arztes im deutschen Sozialgerichtsprozess;
hier:    Grundsatz – Ausnahmeverhältnis gemäß § 109 SGG zur Schaffung von „Waffengleichheit“

Im Sozialgerichtsprozess, in welchem nun zunächst die Versicherungsträger selbst die Gutachtenaufträge vergeben, jedenfalls was das Feststellungsverfahren anbetrifft, hat der Gesetzgeber seinerzeit folgende Vorschrift des § 109 SGG festgelegt:

„§109 Abs. 1, Satz 1 SGG Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muss ein bestimmter Arzt gutachterlich gehört werden.“

Soweit also Satz 1 von Absatz 1 des § 109 SGG, wo also der Grundsatz statuiert ist, daß ein Gutachten ohne Kostenvorschuß erhoben werden soll nach § 109 SGG, und zwar vom Sozialgericht.

Es handelt sich also um ein gerichtliches Gutachten, auch wenn der Kläger, das heißt der betroffene Rechtsuchende den Arzt namentlich bestimmen kann.

In Satz 2 im zitierten Abs. 1 lautet es dann wie folgt:

„Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts entgültig trägt.“

Wir leiten daraus ab, aus der Konstellation dieser Vorschrift, daß im Grundsatz das Recht des Klägers darauf besteht, ein Gutachten nach § 109 SGG ohne Erbringung eines Kostenvorschusses erwirken zu können.

Die Ausnahme ist dann nach unserer Auffassung, gesetzlich gesehen, daß das Sozialgericht oder Landessozialgericht die Einholung eines derartigen Gutachtens von einem Kostenvorschuß abhängig machen kann.

Dem gegenüber erhebt die Sozialgerichtsbarkeit nahezu in jedem Fall einen Kostenvorschuss, will der Betroffene einen Gutachter nach § 109 SGG bezeichnen.

Eine Ermessensausübung, die im Abs. 2 vorgesehen ist, findet in keinem Fall statt.

Während man gerichtlich im Ermessensfall den Behörden weitgehende Vorschriften macht, wird bei Ausübung eigenen Ermessens durch das Gericht kein Ermessenskriterium beachtet und keine Ermessensausübung getätigt.

Es fragt sich, warum die Rechtsschutzversicherungen dies zu hinnehmen, das hier ein Regelausnahmeverhältnis derart ins Gegenteil verkehrt wird, mit der Folge, daß die Rechtschutzversicherer in jedem Fall eines 109-Gutachtens dann kostenpflichtig werden.

Nachdem wir unter dem 18.02.2010 in dem Rechtsstreit L 4 U 197/09 LSG NRW beantragt hatten:
Als Sachverständiger nach § 106 SGG, hilfsweise nach § 109 SGG, dies aber ohne die Auferlegung eines Kostenvorschusses, wird bezeichnet Prof. Dr. med. W., und zwar in einem Fall, in welchem ein Berufskrebs im Sinne der Berufskrankheit 4104 insbesondere streitig ist, wurde gerichtsseitig ohne weitere Begründung folgendes verfügt:
„Die Einholung eines Gutachtens § 109 des Sozialgerichtsgesetzes wird davon abhängig gemacht, daß die Klägerin einen Betrag von 2.200,00 Euro vorschießt.“

Nicht einmal die Frage wurde vom Gericht erhoben, ob denn die Witwe über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, die gegebenenfalls eintreten möge.

In der Praxis bleibt die Regel, das ohne Ausübung von Ermessen gerichtsseitig auf jeden Fall ein Vorschuss erhoben wird im Falle des § 109 SGG.

Auf eine Diskussion läßt sich ein Landessozialgericht hier nicht ein.

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Hochfrenquenter Tinnitus bei der beruflichen Lärmschwerhörigkei

Hochfrenquenter Tinnitus bei der beruflichen Lärmschwerhörigkeit;
hier:     Ablehnung des Berufskrankheitszusammenhangs durch die Berufsgenossenschaft wegen
hochfrequenten Tinnitus

Der Rechtsuchende, der akuten Lärmtraumata ausgesetzt war und mehr als 20 Jahre extrem hohem Lärm durch Sägearbeiten etc., beklagt ein außerordentlich quälendes hochfrequentes Ohrgeräusch, das ihn am Einschlafen hindere und am Durchschlafen, weshalb der Berufserkrankte morgens wie zerschlagen ist gewissermaßen.

Der Einwand des behandelnden Arztes zog nicht im Rechtstreit vor dem Sozialgericht Düsseldorf – S 36 u 76/07 -, daß gerade ein hochfrequenter Tinnitus durch die Lärmspitzen bedingt wird.

Der behandelnde Arzt war also ganz anderer Ansicht als der BG-Gutachter.

Jedenfalls ist der einwand neu, daß ein hochfrequenter Tinnitus nicht lärmbedingt wäre.

Die berufsgenossenschaftliche Entschädigungspraxis machte dies bislang immer zur Entschädigungsvoraussetzung, daß es sich um einen Tinnitus im Hochtonbereich handeln müsse.

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