Gefahrtarif

Wegfall bzw. Fehlen des Büroteils im Gefahrtarif der Berufsgenossenschaft;
hier: Verzicht auf die günstigere Gefahrklasse trotz § 157 Abs. 2 SGB VII (Differenzierungsgebot)

§ 157 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII lautet ausdrücklich wie folgt:

„Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleiches gebildet werden“.

Die Berufsgenossenschaft bleibt die Antwort schuldig, wie denn dazu der Wegfall der Gefahrengemeinschaft Büroteil passt.

Die Abschaffung des Büroteils als günstigere Gefahrklasse bei den Beiträgen hat Methode.

Dies spielt sich in drei Schritten ab.

Veranschaulicht werden soll dies am Beispiel der Berufsgenossenschaft Chemie, heute Berufsgenossenschaft RCI bezüglich deren Gefahrtarif 2007:

Anders etwa als im Gefahrtarif der Bau-Berufsgenossenschaft fehlt das Hilfsunternehmen Büroteil bzw. Verwaltung im Gefahrtarif I der Berufsgenossenschaft Chemie, heute Berufsgenossenschaft RCI.

Im Rechtsstreit eines Mitgliedsunternehmens der Berufsgenossenschaft Chemie bzw. der Berufsgenossenschaft RCI eben gegen diese Berufsgenossenschaft vor dem Sozialgericht Osnabrück forderte der Verfasser und Anwalt die Berufsgenossenschaft auf, dann doch nach II von deren Gefahrtarif zu verfahren, und zwar zu 2.

„Für Unternehmen, deren Gewerbezweig im Teil I nicht aufgeführt ist, setzt die Verwaltung der Berufsgenossenschaft die Gefahrklasse fest“.

Mithin besteht bereits hier der Anspruch auf Festsetzung der Gefahrklasse durch die Verwaltung der Berufsgenossenschaft, eben weil das Hilfsunternehmen Büroteil oder Verwaltung nicht im Teil I des Gefahrtarifs enthalten ist.

In diesem Fall kann dann auch die Berufsgenossenschaft keinen Produktionstarif ansetzen.

Das Ansinnen, den zutreffenden Satz der Gefahrklasse festzulegen, etwa 0,38, wie es sich für einen Büro- oder Verwaltungsteil gehört, wies die Berufsgenossenschaft auf Befragen des Richters entschieden zurück.

Die Anspruchsgrundlage nach II 2. des Gefahrtarifes wird nicht angewandt, obwohl aller Anlass dazu besteht, und zwar aufgrund des Differenzierungsgebotes nach § 157 Abs. 2 SGB VII.

Statt dessen verweist die Berufsgenossenschaft unter Aufgabe jeglicher Differenzierung nach Gefahrengemeinschaften die Hilfsunternehmen gemäß Gefahrtarif II Nr. 5 an das Produktionsunternehmen, mit dem nun das Hilfsunternehmen sinnwidrig die gleiche Gefahrklasse teilen soll, entgegen § 157 Abs. 2 SGB VII.

Unter Verletzung des § 157 II RVO werden die Hilfsunternehmen Verwaltung nunmehr von der Berufsgenossenschaft Chemie bzw. Berufsgenossenschaft RCI über die Nr. 5 ihres eigenen Gefahrtarifes II so undifferenziert wie unbemerkt gewissermaßen „in die Tonne geklopft“, unterschiedslos.

Dem liegen deutlich fiskalische Gründe zugrunde, wie sonst wäre es an dem, daß die Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft eben dann auch ihren Büroteil abschaffen wollen im Gefahrtarif.

Die Beitragsgerechtigkeit bleibt auf der Strecke.

Für das Unternehmen welches vor dem Sozialgericht Osnabrück klagte, ging es um 25.000 Euro jährlich, die deshalb zuviel gezahlt werden.

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Zweierlei Maß

Zweierlei Maß bei Behandlung des anwaltlichen Verlegungsantrages wegen Urlaubsabwesenheit

Im September 2009 hatten die Anwälte durch den Erwerb von Flugtickets einen Urlaub für die zweite Hälfte April 2010 insbesondere gebucht.

Am 04.03.2010 erreichen uns zwei Ladungen des Sozialgerichts Düsseldorf – S 29 SB 93/08 – die eine Ladung für den 26.04.2010.

Den umgehend gestellten Verlegungsantrag unter Hinweis auf den Urlaub der Anwälte weist das Sozialgericht Düsseldorf schließlich zurück.

Im übrigen macht das Gericht ausdrücklich darauf aufmerksam, daß das persönliche Erscheinen des Klägers zum jeweiligen Termin angeordnet ist.

Dies provoziert schon einigermaßen.

Denn nunmehr wird der jeweilige Kläger gezwungen, ohne den Anwalt seiner Wahl, vor Gericht erscheinen zu müssen.

Dem Gericht wird daraufhin mitgeteilt:

„Auf BSG – B 13 R 303/07 B – wird ausdrücklich hingewiesen, auf welche Vorschrift die Anwälte der Landessozialgerichtspräsident ausdrücklich aufmerksam gemacht hat, was die Tatsache kurzfristiger Ladungen anbetrifft“.

Das Bundessozialgericht sagt auf Seite 4 des ausgedruckten Urteils folgendes:

„Einem Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör aber auch versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl er gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 227 Abs. 1 ZPO einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat. Das Gericht ist in einem solchen Fall verpflichtet, den anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen.“

In einer der beiden zitierten Sachen war zuvor ein Termin aufgehoben worden, weil der Vorsitzende Richter erkrankt war.

Hier wurde gerichtlich kein Vertretungszwang geltend gemacht, etwa durch einen anderen Richter, obwohl das Sozialgericht Düsseldorf über eine ganze Anzahl Richter verfügt.

Jedenfalls konnte der Anwalt sogar damit rechnen, und zwar bei Urlaubsantritt, daß in die Zeit seines Urlaubs hinein geladen wird von den Gerichten, ohne, daß die Notwendigkeit gesehen wird, etwa eine Verlegung vorzunehmen, wenn der Anwalt den erheblichen Grund des Urlaubs einwendet.

So muß man dann schließlich als Anwalt vom Urlaubsort aus sich während der Urlaubszeit mit dem Gericht wegen der Terminsverlegung auseinandersetzen.

Die Grenze des zumutbaren wird deutlich überschritten.

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i.A.

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Seit an die 30 Jahre verwendet unsere Anwaltskanzlei Übersendungszettel, die auf Anwaltsbogen formularmäßig formuliert sind bzw. entsprechend formuliert werden, wo dann unten steht Rechtsanwalt.

Wenn der Anwalt unterschreibt, tut er dies ohne Zusatz.

Wenn das Sekretariat unterschreibt, wie anwaltlich verfügt, unterschreibt die betreffende Sekretärin mit dem Zusatz i.A..

Im Jahre 2010 erreicht uns nun eine konzertierte Aktion des 2. Senates des Landessozialgericht NRW und des 17. Senates des Landessozialgerichts NRW, wo diese unsere anwaltliche Praxis beanstandet wird.

Der 17. Senat fragt an, „wer als Rechtsanwalt in dessen Auftrag den Schriftsatz vom 13.01.2010 unterzeichnet hat“, obwohl deutlich die Unterschrift ist i.A. mit unterschriebenem Namen der Sekretärin.

Mit dem Übersendungsschreiben vom 13.01.2010 hatten wir ein Schreiben des Klägers vom 17.12.2009, d.h. ein persönliches Schreiben des Klägers überreicht.

Es ist das gute Recht eines Klägers, auch selbst zu seinem Fall Stellung zu nehmen, und auch dazu, in welcher Höhe er die Verletztenrente aufgrund der Silikose anstrebt, hier auf 60-70 %.

Infolge der Silikose kann der Kläger nur noch 3 Stufen Treppensteigen, dann muß er stehenbleiben.

Für die Treppe zum 1. Stock, d.h. zu seiner Wohnung, benötigt der Kläger vier Pausen.

Daraus errechnet sich nach der medizinischen Leitlinie eine MdE von 70 – 80 %.

Statt die Schwere der Erkrankung weiter auszuermitteln, die Berufsgenossenschaft hatte nur auf 40 % angehoben, wird nunmehr allerdings weiter ermittelt, nicht ohne, daß es Streit darüber gab, ob das Gericht in dieser Weise mit dem Anwalt gewissermaßen rumspringen kann.

In einem Erörterungstermin äußerte der berichterstattende Richter, d.h. der sachbearbeitende Richter, er wisse ja gar nicht, ob die Anwälte den Brief des Klägers gelesen hätten.

Dies war eine Unterstellung, die es zurückzuweisen galt, als ob die Anwälte nicht die Eingangspost lesen würden.

Der 2. Senat hatte im Rahmen der konzertierten Aktion unter dem 06.01.2010 in einer Sache – L 2 KN 174/09 U – folgendes gerügt:

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Arbeitsunfall Gabelstapler

Ein Arbeiter einer Papierfabrik, der an Bluthochdruck leidet, wird kniend neben dem Gabelstapler in der Rohstoffhalle angetroffen, als er nicht mehr ansprechbar ist aufgrund einer gerade erlittenen Hirnblutung

Indizien für einen Arbeitsunfall sind hier die Tatsache, daß der Schaden auf der Betriebsstätte und während der Arbeitszeit aufgetreten ist.

Für den inneren Zusammenhang ist die Frage von Bedeutung, ob das Bewegen eines 500 kg bis 1.000 kg schweren Zopfes im Pulper und das Bewegen eines 1.000 kg schweren Altpapierballens hier zuviel waren für den Versicherten.

Versäumnisse der Berufsgenossenschaft bestehen darin, daß trotz dieses schweren Falles einer Hirnblutung auf der Arbeitsstätte gleichwohl der Technische Aufsichtsdienst keine Unfalluntersuchung vorgenommen hat und keinen Unfalluntersuchungsbericht gefertigt hat.

Außerdem wurde weder berufsgenossenschaftlich noch sozialgerichtlich ein Gutachten eingeholt, und zwar bis zur mündlichen Verhandlung am 03.03.2010.

Der Vorsitzende Richter meinte in der mündlichen Verhandlung, es wäre seitens der Klägerin leichtfertig, von einer schweren Arbeit am Unfalltage auszugehen, obwohl sich der Ehemann selbst immer wieder über die schwere Arbeit beklagte.

Jedenfalls war diese Arbeit am Unfalltag zuviel für den Versicherten, dem bereits die Hirnblutung drohte.

Droht einem bluthochdruckkranken Versicherten die konkrete Gefahr einer Hirnblutung, ist eine schwere Arbeit, also auch die letzte Schicht, contraindiziert, so daß sich hieraus die wesentliche Mitursächlichkeit ergeben kann, ohne daß eine Lebenszeitverkürzung um 1 Jahr nachzuweisen wäre.

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Plasmozytom nach Benzoleinwirkung als Berufskrankheit

Plasmozytom nach Benzoleinwirkung als Berufskrankheit

Bei einem Arbeitsunfall wurde als zufälliger Nebenbefund ein Plasmozytom entdeckt und in der Folgezeit operiert.

Diesseitiger Auffassung nach hätte der Versicherte ohne die dann erfolgende Operation des Plasmozytoms eine höhere Lebenserwartung gehabt.

Mithin kann die Zufallsentdeckung des Plasmozytoms eine mittelbare Folge des Arbeitsunfalls sein, was die Lebenszeitverkürzung anbetrifft.

Von Bedeutung ist auch die Frage nach wie vor, ob in Jahre- bzw. Jahrzehntelanger Gießereiarbeit, Reinigung von Kesseln, der Versicherte sich das Plasmozytom offensichtlich durch eine Benzoleinwirkung zugezogen hat.

Beim Berufungsgericht meinte der Berichterstatter bzw. Richter, die Berufsgenossenschaft hätte bereits mehr als erforderlich ermittelt, obwohl keinerlei unabhängiges arbeitstechnisches Sachverständigengutachten vorlag.

Statt dessen ermittelte der Berufungsrichter in dem Erörterungstermin im Beisein der Berufsgenossenschaft, wie die Mandantschaft an ihren Anwalt gekommen sei.

Wie auf diese Art und Weise, kein arbeitstechnisches Sachverständigengutachten unabhängiger Art einzuholen in der dargestellten Art ein Berufskrebsfall gelöst werden soll, erschließt sich nicht.

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