Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung

Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung, die zu Gewohnheitsrecht erstarkt ist, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommend ausreichend ist;
hier:    Bandscheibenvorfall LWS L4/L5 eines 1957 geborenen Klägers, der Rand- und
Pflastersteine verlegte und andere Belastungen seiner Wirbelsäule beruflicher Art auf    zuweisen hat

In einem Rechtstreit – B 2 U 16/08 R – Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.10.2009 zitiert das Bundessozialgericht zwar den Vortrag des Klägers, der sich dahin einläßt:

„Rügt der Kläger die Verletzung der Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfall- und Berufskrankheitenversicherung. Dieser Kausalitätsnorm, der aufgrund Gewohnheitsrechtes Gesetzeskraft zukomme, werde allein das Gutachten von Prof. Dr. Elsner gerecht. Die Arbeitsbelastungen im Sinne der BK-Nrn 2108 und 2110 lägen offen und gerichtskundig vor. Es widerspreche den Denkgesetzen, wenn das LSG, gestützt auf ein Parteigutachten eines Parteibeamten der Berufsgenossenschaft den jeweiligen Belastungen die Erheblichkeit und Kausalität abspreche. Mit den Regeln eines fairen Verfahrens nach Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention sei es nicht vereinbar, daß ein privatrechtlicher Verein, dem die Beklagte angehöre, Beweisregeln und Beweisregelwerke erarbeite.“

Damit ist der Klägervortrag allerdings nicht ausreichend wiedergegeben.

Denn ausweislich der Revision dort Seite 4 war auch der Inhalt dieser Kausalitätsnorm bezeichnet worden:

„Daß dabei die zitierte Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfallversicherung, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingungen vollkommen ausreichend ist, gemäß BSG in NJW 1964, 2222 gewahrt sein könnte, ergibt sich bei diesen Regelwerken nicht.“

Leider erkennt das BSG hierbei nicht, d.h. in diesem Rechtstreit, daß es sich bei der Kausalitätsnorm der gesetzlichen Unfall- und Berufskrankheitenversicherung, in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommen ausreichend ist um eine Rechtsnorm materieller Art des Bundesrechts handelt.

Tatsächlich wurde nur das Gutachten von Prof. Dr. Elsner dieser Kausalitätsnorm gerecht, während die anderen Gutachten auf Regelwerken beruhten, welche nicht einmal sicherstellen, daß die Frage der wesentlichen Mitursächlichkeit beruflicher Art überhaupt angedacht wird.

So wird in dem Urteil des BSG vom 27.10.2009 auch nicht mit einem Wort die Frage der wesentlichen Mitursächlichkeit gestreift, deren Verneinung nun deutlich gegen die Denkgesetze verstößt.

Es hat den Anschein, als ob hier zwei Sprachen gesprochen werden, einmal die berufsgenossenschaftliche Sprache der Regelwerke, MDD-Modell, Konsensusempfehlungen und zum anderen die Sprache der Kausalitätsnorm in dem Sinne, daß wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Bedingung vollkommen ausreichend ist BSG in NJW 1964, 2222, wo der Hinweis sogar gegeben wird, daß selbst eine verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung beruflicher Art sehr wohl wesentlich sein kann.

Daran nun operieren das MDD-Modell und die Konsensusempfehlungen, herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, nun deutlich und wirksam vorbei.

Wenn sich das BSG an diese Regelwerke gebunden fühlt, in Wahrheit werden diese Regelwerke als antizipierte Sachverständigengutachten vom BSG praktiziert, kommt der Einzellfall naturgemäß nicht mehr zu seinem Recht.

Dieser Einzelfall wird dann mit den Regelwerken gewissermaßen aus dem Blick gerückt.

Mit dem Urteil vom 27.10.2009 hat das BSG die Chance vertan schlicht und einfach auf wesentliche Mitursächlichkeit der beruflichen Belastung zu erkennen, die nicht zu übersehen war, wenn man nicht an Regelwerken festhält, welche die Berufsgenossenschaften aufgestellt haben.

Daß für die Kausalitätsnorm keine Paragraphen-Nr. vergeben worden ist, ändert nichts an deren Charakter als materielle Norm des Bundesrechts.

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Steine statt Brot

Aussetzung des Gerichtsverfahrens wegen Rüge der Verletzung des Angebotes eines  Gutachterauswahlrechtes bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit

Der Umgang der Rechtsprechung mit § 200 Abs. 2 SGB VII ist zwiespältig.

Es wird einmal dahingehend eingeschränkt, daß die Berufsgenossenschaften nunmehr ihre beratenden Ärzte unumschränkt hören können und eigene Gutachter etwa einstellen bzw. eingestellte Gutachter hören.

Geht denn einmal dann die Rüge durch, bzw. greift die Rüge, daß hier das Gutachterauswahlrecht verletzt worden ist, ob im Todesfall hinsichtlich des pathologischen Gutachtens oder im Erlebensfall hinsichtlich des Zusammenhangsgutachtens, wird dann ein kompliziertes Verfahren in Gang gesetzt, nämlich ein zusätzlicher Prozeß bzw. wird dieses Erfordernis in der Rechtsprechung gesehen.

Weist die Berufsgenossenschaft die Rüge des Gutachterauswahlrechtes bzw. eines dahingehenden Gutachterauswahlrechtes, das nicht gewährt worden ist, zurück, sei dies ein Verwaltungsakt, mit der Folge des Widerspruchs als Rechtsbehelf und darauf folgend des Widerspruchsbescheides, gegen den separat Klage zu erheben sei.

Ein Fall des § 96 SGG wird darin nicht gesehen.

Dies wirft den Rechtsuchenden im Rechtstreit um Jahre zurück.

Die Einführung des § 200 Abs. 2 SGB VII führte überdies dazu, daß nunmehr die Berufsgenossenschaften sämtlich ihre beratenden Ärzte mit schriftlichen Verträgen versehen, um deren Nähe zur Berufsgenossenschaft zu dokumentieren, weshalb man dann glaubt, ohne das Angebot eines Gutachterauswahlrechtes auszukommen.

Selbst die Tatsache, daß etwa die Bau-Berufsgenossenschaft Wuppertal eine Sachverständigenstelle eingerichtet hat, die sich rechnet, indiziert für die Berufsgenossenschaften und die Sozialgerichtsbarkeit nicht, in solchen Fällen ein Gutachterauswahlrecht anzubieten, obwohl es nun deutlich dann um Parteigutachten geht.

Hier stehen die Standpunkte des BSG und die Standpunkte des Bundesbeauftragten für den Datenschutz weit auseinander.

Das Angebot eines Gutachterauswahlrechtes ist nicht nur ein datenschutzrechtliches Problem, sondern ein klarer gesetzlicher Auftrag, der überdies auch für das arbeitstechnische Sachverständigengutachten gilt, also bevor ein Technischer Aufsichtsbeamter als Partei der Berufsgenossenschaft sein Gutachten für den Prozeß abgibt bzw. für das Verfahren.

Die Bau-Berufsgenossenschaft Wuppertal unterhält nicht nur eine technische Sachverständigenstelle mit entsprechendem Briefbogen sondern auch eine medizinische Sachverständigenstelle, Servicebereich Berufskrankheiten.

All dies fördert nicht bzw. stärkt nicht die Lehre der Arbeitsmedizin, die auf Unabhängigkeit angewiesen ist.

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Keine Verletztenrente für Berufskrankheit

Keine Verletztenrente für Berufskrankheit Nr. 2301 Lärmschwerhörigkeit trotz schwerer Schädigung des Sprachgehörs durch Impulslärmspitzen von etwa 135 dB(A);
hier: Verfahren vor dem Sozialgericht Duisburg – S 26 U 254/08 –

Ohne sich Kenntnis zu verschaffen von den tatsächlichen Impulslärmspitzen, verneinen die Gutachter in diesem Fall bislang den Zusammenhang insbesondere der Schädigung des Sprachgehörs mit den massiven Knalltraumata auf dem Metallsammelplatz, wo bis zu 15 Container pro Schicht mit lautem Lärm befüllt werden etwa.

Anerkannt ist bislang nur eine geringgradige Lärmschwerhörigkeit unter Ausschluß des eigentlichen Hörschadens, obwohl eine Teilbarkeit der beiden Ursachenketten, die angeblich vorlägen, nicht ersichtlich wäre.

Heute wird für die schlimmen Fälle der beruflichen Lärmschwerhörigkeit die Entschädigung verweigert, weil eine hochgradige Schwerhörigkeit lärmuntypisch wäre, als ob es keine Impulslärmspitzen gäbe.

Außerdem waren es früher nur die hochgradigen Schwerhörigkeiten bzw. Lärmtaubheiten, welche berufsgenossenschaftlich entschädigt wurden.

Eine Besonderheit ist in dem berufsgenossenschaftlichen Lärmschwerhörigkeitsverfahren bzw. im berufsgenossenschaftlichen Feststellungsverfahren darin zu sehen, daß die Impulslärmspitzen nicht der Höhe nach angegeben werden, obwohl es gerade der Impulslärm ist, welcher die Vertäubung der Ohren mit sich bringt und zu irreversiblen Schäden führt.

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Berufsgenossenschaftliche Einflußnahme auf die Amtsermittlung

Berufsgenossenschaftliche Einflußnahme auf die Amtsermittlung der Sozialgerichtsbarkeit;
hier:    Frage, bestimmt die Berufsgenossenschaft oder bestimmt das Sozialgericht das Ergebnis des Rechtstreites?

Wenn einer Berufsgenossenschaft das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten mißfällt, wird ein Gegengutachten in Auftrag gegeben, berufsgenossenschaftlich, mit welchem mehr oder weniger das gerichtliche Gutachten gewissermaßen auseinandergenommen wird.

Dabei geriert sich der beratende Arzt der Berufsgenossenschaft nicht eben selten als Obergutachter, der mit einem Federstrich das Beweisergebnis gewissermaßen zunichte machen kann.

Das Bundessozialgericht bestreitet nicht, daß auch Gutachten während des Prozesses, welche berufsgenossenschaftlich eingeholt werden, der Vorschrift des § 200 Abs. 2 SGB VII unterliegen kann, d.h. dem Gutachterauswahlrecht bzw. Angebot eines Gutachterauswahlrechtes, welches zuvor berufsgenossenschaftlich anzubieten ist.

Mit einem Nebensatz aber öffnet dann das Bundessozialgericht alle Schleusen, s. Urteile vom 05.02.2008 – B 2 U 10/07 R – und – B 2 U 8/07 R -, indem die Parteigutachten der beratenden Ärzte oder der berufsgenossenschaftlich angestellten Ärzte vom Angebot eines Gutachterauswahlrechtes gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII ausgenommen werden.

Dies hatte bereits im Frühjahr 2008 zur Folge, daß die Berufsgenossenschaften ihre beratenden Ärzte alle mit Papierverträgen ausstattete, um gerichtlich nachzuweisen, daß es sich um beratende Ärzte handelt, was eigentlich nur um so schlimmer war, wenn es sich um einen beratenden Arzt handelt, der berufsgenossenschaftlich beauftragt wird.

Eine Untersuchung der beratungsärztlichen Gegengutachten, Obergutachten oder beratungsärztlichen Stellungnahmen würde vom Ergebnis her eine fatale Tendenz verweisen, nämlich gegen die Entschädigung der betreffenden Fälle anzuwirken.

Ausnahmen gibt es da kaum.

Demgegenüber vertritt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz die Auffassung, daß auch bei Beauftragung eines beratenden Arztes mit einem Gutachten das Gutachterauswahlrecht gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII zu beachten ist.

Eine Bau-Berufsgenossenschaft ließ es sich sogar angelegen, eine Sachverständigenstelle einzurichten bei ihrer eigenen Berufsgenossenschaft, medizinischer Art und überdies auch arbeitstechnischer Art.

In beiden Sparten rechnet sich dies berufsgenossenschaftlich, weil ein auswärtiger Gutachter nicht entfernt so parteilich urteilen würde, wie ein berufsgenossenschaftlich angestellter Gutachter.

Mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens ist es nicht in Einklang zu bringen, wenn dies so gehalten wird und die Sozialgerichtsbarkeit sogar die arbeitstechnischen Expositionsgutachten der berufsgenossenschaftlichen Beamten ausnahmslos zugrundelegt.

Mit den Urteilen vom 05.02.2008, wie zitiert, hat das Bundessozialgericht offenbar berufsgenossenschaftlicher Einflußnahme auf die Gerichtsverfahren Tor und Tür geöffnet, was die Einschaltung eigener Gutachter anbetrifft, seien dies Angestellte der Berufsgenossenschaft oder beratende Ärzte.

Dies wirkt sich nachgerade lähmend auf die Gerichtsverfahren aus, weil die Rechtsuchenden nunmehr zum Spielball berufsgenossenschaftlicher Einwände gemäß Gegengutachten und Obergutachten beratender Ärzte werden.

Sowohl in den Unfallsachen als auch in den Berufskrankheitssachen verfügen die Berufsgenossenschaften über Regelwerke und Fachliteratur, denen der Rechtsuchende nicht gewachsen ist.

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Deutscher Sozialgerichtsprozeß im Berufskrankheitenverfahren

Deutscher Sozialgerichtsprozeß im Berufskrankheitenverfahren

Anwaltlich muß festgehalten werden, daß der schwerstwiegende Mangel in diesen Verfahren der Umstand ist, daß die Sozialgerichtsbarkeit ausnahmslos gewissermaßen die Expertisen respektive Gutachten der Technischen Aufsichtsdienste der beklagten Berufsgenossenschaft zugrundelegt bei der Beurteilung der Gefährdungssituation.

Es wird nicht berücksichtigt, daß sich der Technische Aufsichtsdienst der Berufsgenossenschaft in dem Konflikt befindet, eine Berufskrankheit etwa einen Asbestkrebs nicht verhindert zu haben und nunmehr die Voraussetzungen einer Berufskrankheit arbeitstechnisch bestätigen zu sollen.

An letzterem hapert es gewissermaßen gewaltig.

So ist in einem Lungenkrebsfall nach Asbesteinwirkung, der Versicherte hatte Asbestsäcke ungeschützt in die Maschine zu entleeren, eine arbeitstechnische Expertise des Technischen Aufsichtsdienstes der beklagten Berufsgenossenschaft feststellbar dahin, daß der Technische Aufsichtsbeamte nur 10 Fasern pro cm3 Atemluft für diese Tätigkeit zugrundelegt, während es in Wahrheit 500 Fasern pro cm3 gewesen sein dürften.

Das weitere antizipierte Parteigutachten, nämlich die Faserjahrreporte, herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, ergeben durch Querverweise, daß am Ende der Wert für den Umgang mit leeren Säcken zugrundegelegt wird, die Asbest enthalten haben mögen zuvor.

Schlimmer also kann es nicht kommen für einen Versicherten, nämlich einmal an einem Asbestlungenkrebs zu erkranken und zum anderen dann an den Technischen Aufsichtsdienst einer Berufsgenossenschaft zu geraten, welcher unzutreffend niedrige Faserzahlen ermittelt, so daß die Asbestfaserjahrrechnung, 25 Asbestfaserjahre müssen es sein, wenn keine Brückensymptome vorliegen, scheitern muß.

Es gilt also, den Parteigutachten der Technischen Aufsichtsbeamten der beklagten Berufsgenossenschaft zu begegnen und den antizipierten Sachverständigengutachten in Form der Faserjahrreporte, herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, die imaginär niedrige Werte enthalten für die einzelnen Verrichtungen mit Asbest.

Es besteht eine Übereinkunft der Sozialgerichte dahingehend, die „Expertisen“ des Technischen Aufsichtsdienstes der beklagten Partei zugrundezulegen, wenn der Lungenkrebserkrankte oder etwa die Witwe es nicht besser wissen.

Kein rechtliches Gehör findet der Hinweis, daß die Faserjahrzahl höher zu bewerten ist als in dem antizipierten Parteigutachten Faserjahrreport.

Dessen Grundlagen bleiben in den einzelnen Berufskrankheitenfeststellungsverfahren überdies im Dunkeln.

So werden keine Befunde darüber vorgelegt, warum nicht beim Trennschleifen von Asbest 500 Fasern pro cm3 zugrundezulegen sind, wie im Prüfstandsversuch, sondern nur etwa 60 Fasern pro cm3.

Mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens nach Artikel 6 Menschenrechtskonvention dürfte das geschilderte Verfahren in keiner Weise in Übereinstimmung stehen.

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